„Nun?“ fragte die Seerose.
„Ach, damals hatte ich es besser, viel besser!“ seufzte die Libelle. „Im Sonnenschein ist es ja zwar herrlich; und ein Vergnügen ist es, so über dem Wasser dahinzufliegen; aber habe ich denn je Zeit, mich daran zu erfreuen? Ich bin so furchtbar be[S. 103]schäftigt, mußt du wissen. Früher hatte ich an nichts zu denken. Jetzt aber muß ich den ganzen Tag lang umherfliegen, um die dummen Eier unterzubringen. Keinen Augenblick bin ich frei, und kaum habe ich Zeit zum Essen.“
„Hab’ ich’s dir nicht vorhergesagt?“ rief die Seerose triumphierend. „Hab’ ich dir nicht prophezeit, daß du aus dem Regen in die Traufe kommen würdest?“
„Leb’ wohl,“ antwortete die Libelle mit einem Seufzer, „ich habe keine Zeit, deine spöttischen Bemerkungen anzuhören. Ich muß heute noch mehr Eier legen.“
Doch als sie gerade fortfliegen wollte, da kam der Star.
„So eine schöne kleine Libelle!“ sagte er; „das ist ein prächtiger Leckerbissen für meine Kleinen!“
Und wupps! packte er die Libelle mit dem Schnabel und flog mit ihr fort.
„Da haben wir die Geschichte!“ rief die Seerose, und ihre Blätter zitterten vor Entsetzen. „Diese Tiere, o diese Tiere! Das sind lächerliche Geschöpfe. Da lobe ich mir doch wirklich mein stilles, friedliches Dasein. Ich tue keinem etwas zuleide, und keiner tut mir etwas. Wie bin ich doch so glück...“
Ehe sie aussprechen konnte, glitt ein Boot dicht an ihr vorüber.
„Ei, was für eine schöne kleine Seerose!“ rief Ellen, die im Boote saß, „die muß ich haben.“
Sie beugte sich über den Rand des Bootes und riß die Blüte mit einem Ruck los. Als sie nach Hause gekommen war, setzte sie sie in ein Glas Wasser, und da stand sie drei Tage lang zwischen anderen Blumen.
„Das verstehe ich nicht!“ sagte die Seerose am vierten Morgen. „Es ist mir ja um kein Haar besser ergangen als der armen Libelle.“
„Nun sind die Blumen verwelkt,“ sagte Ellen und warf sie zum Fenster hinaus.