„Ja,“ sagte Friede treuherzig, „die Pferde kommen doch nicht mehr durch, sonst hätte die Schnipfelbäuerin die Tropfen mitgebracht.“
„Na, das ist gut,“ rief Doktor Treumann, „die Pferde können nicht mehr durchkommen, und so ein Dreikäsehoch läuft den Weg, noch dazu in der Dunkelheit. Aber Junge, Junge, wie konnte deine Pflegemutter nur so unvernünftig sein und dich gehen lassen!“
Verlegen bekannte Friede, daß er heimlich davongelaufen sei, weil die Muhme ihn sonst nicht hätte gehen lassen. „Und sie muß doch ihre Tropfen haben,“ flüsterte er.
Der Arzt strich ihm sacht über den Kopf. „Du bist ein braver Bursche,“ sagte er ernst, „aber ich habe Angst um dich, du wirst nicht heim kommen. Bergauf brauchst du noch mehr Zeit, das ist noch schwerer; ich fürchte, das wird zu viel für deine Kräfte sein.“
„Ach nä,“ rief Friede vergnügt und mutig, „es geht schon, ich bin gar nicht müde!“
Der Arzt überdachte die Sache. Er selbst mußte eilig fort zu einem Schwerkranken, er hatte kaum Zeit, Seite 67etwas für den Buben zu sorgen. Kam der nun heute nicht heim, dann ängstigte sich Muhme Lenelies vielleicht so, daß sie noch kränker wurde. Die Tropfen brauchte sie, ein Bote, der den Weg machte, würde sich schwer finden, also mußte Friede schon wieder zurückwandern. Er ließ dem Buben heißen Kaffee geben, dazu Butterschnitten, und dann ermahnte er ihn: „Du darfst dich aber nicht ausruhen wollen unterwegs, und wenn du noch so müde bist, sonst schläfst du ein und erfrierst. Gib mir die Hand darauf, Junge, daß du dich nicht hinsetzt!“
Friede gab dem gütigen Mann die Hand, und der mahnte noch einmal: „Denk an dein Versprechen! Sein Wort muß man halten; ein Feigling, wer es nicht tut.“ –