Wenn der Schnee schmilzt
Hoch oben auf einem kahlen Baum saßen zwei kleine Stubenfliegen. Sie sahen dem gerade erst vor zwei Tagen frisch gefallenen Schnee dabei zu, wie er verzweifelt gegen die gestiegenen Temperaturen ankämpfte und langsam aber sicher verlor. Er schmolz in der Sonne dahin, bildete kleine Bäche und sammelte sich in Pfützen.
»Ist das nicht traurig?«, sagte die eine Fliege zur anderen. »Kaum ist es einmal Winter geworden, ist es auch schon wieder vorbei. Die weiße Pracht hat ja nicht lange gehalten. Da werden die Menschenkinder bestimmt enttäuscht sein, dass sie nicht mehr mit ihren Schlitten die Hügel hinab sausen können.«
Da begann die andere Fliege laut zu schluchzen und wischte sich ein paar Tränen von den Augen.
»Ja, ich weiß. Das ist so unglaublich traurig. Ich werde es vermissen. Jetzt kann ich auch nicht mehr Schlitten fahren.«
Sie zog die Nase hoch, wischte einmal mit dem Arm darunter her und seufzte laut.
»Moment mal. Ich glaube, ich habe da eine geniale Idee.«
Das traurige Gesicht wich einem breiten Grinsen. Die Fliege setzte ihre beiden Flügel in Bewegung und flog dem Boden entgegen. Sie steuerte ein welkes Blatt an, das nahe eines Schneerinnsals lag und landete darauf.
»Und los geht die wilde Fahrt!«
Sie schaukelte das Blatt ein wenig hin und her, bis es von der Strömung mitgerissen wurde.
»Das ist ja noch viel schneller und aufregender, als mit dem Schlitten zu fahren. Meinetwegen kann es jeden Tag Tauwetter geben.«