Es war einmal an einem wunderschönen Sommertag saß der kleine Frosch am Rande eines tiefen Brunnenschachts und blickte in die Schwärze hinab.
»Soll ich oder soll ich nicht?« Er schluckte schwer. Die anderen hatten ihn einen Feigling geschimpft, weil es sich nicht traute, in den Brunnen zu springen. »Dabei haben die sich das auch noch nie getraut.« Trotzdem war ihm nicht wohl bei der Sache. Er mochte es gar nicht, wenn die anderen Frösche über ihn lachten.
Und da war es auch schon zu hören. Ein lautes Lachen schallte über den großen Garten hinweg. Doch es schien gar nicht von diesen Fieslingen zu stammen. Nein. Da war eine junge Menschenfrau in einem prachtvollen Gewand, die immer wieder eine goldene Kugel in die Luft warf, ein paar Schritte nach vorn tat und sie wieder aufschnappte. Dieses Spiel setzte sie fort, bis sie vor dem Brunnen stand und ihr ein Missgeschick passierte.
»Oh, nein. Meine goldene Kugel.« Ihr wertvolles Spielzeug war in die Tiefe gestürzt. »Vater wird mich schimpfen. Er wird mich zu Recht Tollpatsch nennen. Ich muss das blöde Ding wiederbekommen.«
Verzweifelt sah sie sich um. Ihr Blick fiel auf den kleinen Frosch. »He, du da, Grüner. Wasser ist doch dein Element. Los, hol mir die goldene Kugel zurück, dann werde ich dich großzügig entlohnen. Es soll dir an nichts mangeln und ich werde ich ein Festmahl aus leckeren Fliegen bereiten.« Bei den letzten Worten musste die Menschenfrau selbst ein wenig würgen, da sie sich nicht vorstellen konnte, dass Fliegen wohlschmeckend sein konnten.
»Was?« Der Frosch war entsetzt. In den Brunnen springen? Auf gar keinen Fall. Er wusste nicht mal, ob sich am Grund überhaupt Wasser befand oder es ihn auf dem harten Boden zerschmettern würde. »Kommt gar nicht in Frage. Ich bin doch nicht lebensmüde.«
Die Menschenfrau verdrehte die Augen. Ein Frosch, der Widerworte gab, hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie griff nach ihm und warf ihn in den Brunnen. »Und vergiss meine goldene Kugel nicht, wenn du wieder nach oben kommst.«
Der Frosch wollte schreien, doch vor lauter Panik bekam er den Mund nicht auf. Er fiel. Lang und länger kam ihm die Zeit vor, bis er mit einem lauten Klatschen ins Wasser platschte.
Vom Aufprall benommen, ging es für den Frosch weiter in die Tiefe.
»Du meine Güte, wie tief ist denn dieser Brünnen überhaupt? Wo ist der Grund? Das Wasser nimmt gar kein Ende. Wie soll ich denn hier die goldene Kugel finden?«
Er tauchte weiter. Mit jedem Meter wurde es dunkler. Der Grüne zweifelte schon daran, hier überhaupt noch etwas finden zu können, als ihn etwas goldfarbenes anblitzte. »Das muss die Kugel sein. Hinterher!«
Der Frosch schwamm zur Seite, erreichte ein dünnes Rohr, in das er gerade so hinein passte und folgte dem Licht.
Plötzlich wurde er von einer Strömung erfasst und mitgerissen. Es ging hin und her, bis es wieder heller und er aus dem Rohr gespült wurde. Der Frosch fand sich in einem riesigen, nicht enden wollenden Wasser wiederfand.
»Unglaublich. Das … das kann nicht wahr sein. Das muss das Meer sein.«
Das Meer. Darüber hatte er schon so viele Geschichten, Mythen und Legenden gehört. Dass es wirklich existiert, hätte er niemals gedacht. Und nun war er hier.
»Magst du mit mir spielen, grüner Freund?«
Der Frosch fuhr herum und sah sich einem neuen Menschengesicht gegenüber. Doch halt. Gehörte es tatsächlich zu einem Menschen? Die langen roten Haare waren nicht ungewöhnlich, aber die lange Fischflosse, wo sich eigentlich zwei Beine befinden sollten, ließ ihn die Stirn runzeln.
»Ich bin die kleine Meerjungfrau und mir ist zum Sterben langweilig. Lass uns doch bitte, bitte ein Spiel spielen.«
Die Meerjungfrau griff nach der goldenen Kugel, die halb im Sand versunken war und hob sie andächtig hoch. »Ist das etwa ein Menschendings? Kommt das von oben? Ich liebe Menschendingse.«
Vorsichtig drehte sie die Kugel in alle Richtungen und untersuchte sie. »Kann man damit wobbeln und gobbeln oder vielleicht brackeln und krackeln?« Sie überlegte und riss begeistert die Augen auf. »Nein, jetzt habe ich es. Die Menschen schauen hinein und sehen darin ganz besondere Dinge, ist es nicht so? Oh, wie ich mich über diesen ganz besonderen Fund freue. Das kannst du dir gar nicht vorstellen.«
Die Meeerjungfrau schnappte sich den Frosch und drückte ihn an sich. »Lass uns Freunde sein. Dann können wir immer wieder mit dem Menschendingsi spielen. Von Morgens bis Abends, am besten rund um die Meer. Im ganzen Reich von König Triton wird man unser fröhliches Lachen hören.«
Der Frosch seufzte leise. Die Kugel gehörte doch der Menschenfrau und sie wollte ihren Besitz zurück. Doch dann fiel ihm wieder ein, wie unsanft sie ihn in den Brunnen geworfen hatte. »In Ordnung. Lass und Freunde sein und mit unserem Menschendingsi spielen. Ich wollte eh nicht wieder zurück.
Von da an hörte man Tag für Tag und rund um die Uhr zwei fröhlich glucksende Stimmen im ganzen Reich von König Triton.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie noch heute.