Das Blau des Himmels und die strahlende Sonne hatten ihren Platz geräumt und waren vor dicken, grauen Wolken gewichen, die nun schwer über der Stadt hingen. Die Menschen flanierten nun nicht mehr über die Straßen und genossen den Tag, sie hatten sich in dicke Mäntel gehüllt und hatten sich zur Sicherheit Regenschirme über die Arme gehängt.
In einer Spelunke, in der es noch düsterer war, als vor der Tür, saß ein alter Mann mit grimmigem Gesicht. In seiner Hand hielt er einen großen Holzbecher, aus dem er alle paar Minuten einen Schluck nahm und dabei wohlig seufzte. Als er einen Blick nach draußen warf, schüttelte er den Kopf und verdrehte die Augen. »Versteh einer die Leute. Die brauchen weder Mantel noch Schirm. Es wird heute keinen Regen geben. Der Wetterfrosch zeigt Sonnenschein an.«
Der Wirt der Spelunke sah erst auf den Alten, dann zum vergilbten Fenster. »Dann muss dein Wetterfrosch aber kaputt sein. Da draußen werden die Wolken immer dunkler. Kann nicht mehr lange dauern, bis es regnet.«
Der Alte lachte heiser und schlug dann mit der Faust auf den Tisch. »Wenn ich sage, dass es nicht regnen wird, dann wird es das auch nicht. Es gibt niemanden hier in der Stadt, der das Wetter besser kennt als ich.«
Um seine Behauptung zu untermauern, öffnete er die Tasche seines Mantels und holte ein Einmachglas daraus hervor. Im Innern saß ein kleiner, grüner Frosch ganz oben auf einem Zweig. »Hier! Er sitzt oben. Das bedeutet, dass das Wetter gut ist. Noch irgendwelche Fragen?«
Der Wirt sah auf den Frosch. »Vielleicht will er auch einfach nur da raus. Er ist bestimmt nicht gern in so einem kleinen Glas gefangen. Wie soll er denn da drin Luft kriegen?«
Mürrisch packte der Alte das Glas wieder ein. »Das ist meine Sache.« Er seufzte, holte den Wetterfrosch wieder hervor und schob ihn dem Wirt entgegen. »Dann lass ihn halt raus. Ich brauche keinen Helfer, um das Wetter einzuschätzen. Das kann ich auch allein.«
Plötzlich fuhr ein Blitz hernieder. Kurz darauf donnerte es. Von einem Moment zum nächsten begann es in Strömen zu regnen.
»Wo ist denn nun dein gutes Wetter? Das sieht für mich nach einem richtigen Gewitter aus.«
Der Alte erhob sich, stieß den Stuhl von sich und ging mit schnellen Schritten zur Tür. »Ich bin der Herr der Regentropfen. Wenn ich sage, dass das Wetter gut ist, dann bleibt das auch so. Ich werde schon dafür sorgen, dass gleich wieder die Sonne scheint. Ich werde mich darum kümmern.« Wütend verließ er die Spelunke und schlug die Tür hinter sich zu.
»Ich frage mich, was das schon wieder soll? Das war nicht so geplant. Ich muss das unterbinden.«
Der Alte ging auf den Dom der Stadt zu. Er riss eine kleine, unscheinbare Tür auf der Rückseite auf und lief mit schnellen Schritten eine Treppe hinauf. Dicht unter dem Turm kam er auf einer Balustrade wieder ins Freie. Er wusste genau, wohin er sich wenden musste. An einer Ecke des großen Gebäudes hing eine Gruppe steinerner Figuren, die rund um die Uhr auf die Straßen hinab blickten. Sie waren sein Ziel.
Wutentbrannt blieb der Alte vor den vier Wasserspeiern stehen, aus deren Mäulern es wie aus Wolken herab tropfte. »Was soll denn das? Habe ich euch gestattet, es regnen zu lassen? Für heute steht gutes Wetter auf dem Plan. Wenn sich die Bewohner der Stadt nicht mehr auf meine Vorhersagen verlassen können, schadet das meinem Ruf. Hört sofort auf damit, sonst werde ich richtig sauer.«
Einer der Wasserspeier drehte seinen Kopf. Seine grauen Steinwangen wurden rot. »Tut uns leid, Boss. Wir können nichts dafür. Da unten ist Markt. Auf einem der Stände liegen so wohlig duftende Leckereien. Wir bekommen Hunger . Uns läuft das Wasser in den Mündern zusammen.«
Der Alte stöhnte genervt. »Schon gut. Ich habe verstanden. Ich besorge euch etwas zu essen. Aber dafür will ich jetzt auch wieder Sonnenschein.«
Die Wasserspeier schluckten kräftig, jubelten und sammelten die grauen Wolken wieder ein. Vom Regen zeugten nun nur noch ein paar Pfützen auf den Straßen.