Der schönste Leuchtturm am Meer

Fiete stand an der Reling seines Fischerbootes und winkte seiner Frau beim Ablegen zu. Sie würden sich nun mehrere Tage nicht mehr sehen können.

»Und pass gut auf dich auf. Lass dich nicht vom Meer verschlucken.« Wie immer machte sie sich auch dieses Mal Sorgen, ihren Mann nicht mehr wiedersehen zu können. So viele Seeleute waren schon in Stürmen umgekommen.

»Ich werde im Schatten des Leuchtturms auf dich warten bis du wieder bei mir bist.«

Fiete lachte. »Was? Warum gerade dort? Ich kenne keinen hässlicheren Leuchtturm an der Küste. Das ist doch nur ein billiges metallrohr mit einer Leuchte auf dem Dach. Triff mich doch lieber in der alten Hafenspelunke und reserviere mir ein Glas mit süßem Wein. Das ist eh viel näher als dein Platz.«

Seine Frau schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage. Du findest mich am Leuchtturm. Dort sitze ich auf einer Bank und werde warten, bis ich dein Boot am Horizont sehe. Ich mag den Leuchtturm. Das ist für mich einer der schönsten Orte der Welt. Du wirst das auch irgendwann verstehen.«

Fiete zuckte mit den Schultern, nickte schließlich und warf ihr einen Luftkuss zu, bevor er sich wieder dem Steuerrad zuwandte. Er verließ mit seinem Boot den Hafen.

 

Zwei Tage später wurde es dunkel am Himmel. Dicke Wolken zogen auf und ließen kaum noch Sonnenlicht zur Erde durch. Winde kamen auf und trieben hohe Wellen vor sich her. Ein Sturm peitschte das Meer auf. Die Frau des Fischers saß, in einen Regenmantel gekleidet, am Fuß des Leuchtturms und blickte sorgenvoll zum Horizont. Hoffentlich würde Fiete es noch rechtzeitig in den Hafen schaffen.

Das Wetter wurde immer schlechter, die Winde nur noch schlimmer. Regen goss wie auf Kübeln auf die Erde nieder. Man konnte kaum noch die Hand vor Augen sehen. Der Horizont war schon längst hinter dunstigen Schleiern verschwunden.

Schon vor Stunden war das letzte Boot im Hafen fest gemacht worden. Wer jetzt noch draußen auf See war, musste mit dem Schlimmsten rechnen.

Die Zeit verging, es tauchte niemand mehr an der Küste auf. War es dieses Mal so weit? Hatte Fiete den Weg nach Hause nicht mehr gefunden oder war er dem Meer zum Opfer gefallen?

Plötzlich legte sich eine Hand auf die Schulter seiner Frau, die noch immer am Leuchtturm wartete. »Fiete? Bist du es wirklich?« Er nickte. »Und es war verdammt knapp. Ich hätte es beinahe nicht mehr geschafft. Lediglich das Licht des Leuchtturms hat mir geholfen, den Kurs zu halten. Ich wusste die ganze Zeit, wo du bist, wo du auf mich warten wirst. Das Licht hat mich zu dir geführt.«

Sie stand auf und fiel in seine Arme. »Kannst du jetzt verstehen, warum ich diesen Leuchtturm so schön finde? Er hat dich in jedem Sturm sicher nach Hause geführt und wird das auch in Zukunft tun.«

Nun verstand auch Fiete. Es war vielleicht nicht das Äußere, was diesen Leuchtturm schön erscheinen ließ, dafür war es aber die Hoffnung, die er seiner Frau gab.