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Strix:Die Geschichte eines Uhus-5. Strix und die Menschen

时间:2022-05-13来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Strix
Es ist wieder Frühling in den großen Wäldern an der Förde.
Die blankschwarzen Wasserflächen der Waldseen liegen mit Vögeln übersät da ...
Auf den kleinen Tümpeln schießen die Bläßhühner hitzig und paarungstoll aus dem schimmernden Versteck des Röhrichtsaumes heraus; sie gleichen Maulwurfshaufen, die auf dem Wasser schwimmen. Auf den großen führen die Schwäne Krieg, blendend weiß und mit Federgebrause um den gekrümmten Hals. Und in den kleinen Löchern, wo es friedlich und warm ist, liegen stumme, gepaarte Enten.
Hin und wieder breitet ein Schwanenpaar die Flügel aus und flattert von einem Gewässer zum andern, da stiebt dann das kleine Getier verwirrt nach allen Seiten auseinander ...
An den Ufern entlang schleichen Marder und Wiesel; der Fuchs aber liegt im Schilf und lauert auf die Wildgänse, die an Land gegangen sind, um zu grasen. Mitten in dem Idyll kann man eine Häsin auf einem Wechsel in voller Flucht sehen, drei, vier zerzauste Rammler hinter ihr her. Da macht Reinecke ein paar Sprünge, besinnt sich dann aber ... nein, er mag nicht rennen!
Es gibt jetzt Äsung genug! Die Paarungskämpfe zwischen den großen Tieren und den Vögeln machen viele Invaliden!
54 Durch die Baumkronen zieht das kreischende Gelichter der Häher. Scharen von fünf bis zehn unbeweibten Männchen verfolgen mit Geschrei und Gekrächze ein glückliches Paar oder machen einem alten ledigen Weibchen stürmisch den Hof. Überall, wohin sie kommen, schweigen die Drosseln, und der Rabe stimmt den Frühlingsruf an, um sein Weibchen zu warnen, das schon Eier gelegt hat; aber der Häher, der in seinem abgestorbenen Baumwipfel sitzt und lauert, streicht augenblicklich von dem Zweig ab und fliegt in der Richtung der nächsten lärmenden Schar.
Aus dem Gestrüpp schießen die Amseln, den Stoß in die Höhe, über die Lichtungen hin — und wo viele alte Bäume stehen, schallt das Konzert der Stare und Dohlen ohrenbetäubend.
Strix stimmt in den Frühlingsjubel ein.
Sie heult und heult ... nicht klagend, wie nach den Jungen, sondern hohl, tief und klangvoll.
Nacht für Nacht, vom späten Abend bis zum frühen Morgen ruft sie nach ihrem alten einfängigen Männchen; sie sucht alle ihre früheren Horstplätze ab und zieht weit über das Land hinaus, jenseits der Menschennester; aber nirgends sieht oder hört sie das geringste von Uf, so wenig wie von einer andern Eule ihrer Art.
Sie fühlt sich immer einsamer und verlassener.
In den milden, feuchten Nächten geht Zug auf Zug von starken, feurigen Lenzvögeln über ihren Kopf hin, und tausende und abertausende von fröhlichen Vogelstimmen schallen aus der Luft zu ihr herab.
Sie grüßt die Reisenden mit ihrem tieftönenden Ho—oo, sie schießt aus den Baumwipfeln zwischen sie hinauf und sieht 55 sie, schreckerfüllt über ihr Erscheinen, nach allen Seiten auseinanderstieben — und sie zieht eine lange Strecke mit ihnen, bis sie, deren Flügel dem pfeilschnellen Flug nicht gewachsen sind, zurückbleibt wie ein Hund, der einem dahineilenden Zuge zu folgen sucht.
Und je weiter der Frühling fortschreitet, um so tiefer krallt sich der herannahende Schluß der Paarungszeit mit all seiner Wildheit und Unbändigkeit in ihr Inneres hinein. Sie wird immer empfindlicher und reizbarer. Ihr feines Gehör, das es ihr ermöglicht, in großem Umkreise an der Welt teilzunehmen, ist um diese Zeit immer aufnahmebereit; Krähengekrächz und Hähergelächter, Hundegebell und Lärm der arbeitstollen Menschen regt sie ununterbrochen auf und macht sie grimmig und streitlustig.
Diese Laute erwecken in ihr fortwährend Erinnerungen an die große Heerschar ihrer Feinde!
Ein alter Fluch ruht auf ihr und ihrer Sippe, und der ganze Wald gerät in Aufruhr, wenn man sie am Tage erblickt. Die Eigenart und Überlegenheit ihres Stammes in der Nacht ist schuld daran; alle Vögel und Tiere, die schlafen, solange die Finsternis brütet, müssen sie notgedrungen fürchten und sie deswegen hassen. Sie ist der Vogel der Nacht, sie ist ihr verkörpertes Grauen, ihre Mystik ... wie die Finsternis selbst kommt sie lautlos und überraschend, und wie das Wetter der Nacht kann sie plötzlich ein teuflisches, schreckeneinjagendes Geheul anstimmen. Die andern werden bange vor der Nacht und verkriechen sich; sie fliegt in ihre Arme und tummelt sich darin, sie ist das eigene, hoch betraute Kind der Nacht.
Sie wohnt beständig in den Hochwäldern, aber draußen in 56 einer Einöde, in einem tiefliegenden dumpfen Winkel. Hier hat sie ihren Luftwechsel, ihre Tunnel und geheimen Gänge durch Kronengewölbe und Laubgehänge. Da hindurch kann sie aus dem überwucherten Baum, in dem sie wohnt, ungehindert abstreichen und zu der freien Fahrt über Lichtungen und Unterwald hin gelangen.
Aber einmal, als sie in der Dämmerung ihren Lieblingspfad — einen langen und schmalen Gang durch rotknospigen Weißdorn und kätzchengelbe Haselbüsche — entlangstreicht, findet sie ihren Luftweg zerstört. Das schützende Versteck, das sich so innig fest und dicht um ihn geschlossen hatte, ist umgerissen, liegt bunt durcheinander in einem großen Berg. Wo früher Bäume standen und wilde Schößlinge wuchsen, breitet sich jetzt ein offener Platz aus, über den sie hinjagen kann, ohne den Zweig eines Wipfels mit den Flügeln zu berühren.
Sie hat den ganzen Tag tief unten in ihrem hohlen Stamm ein starkes Hack—Hack gehört, als arbeite tief drinnen im Wald ein Riesenspecht. Sie kennt den Laut, es ist der, den sie am meisten von allen haßt ... es ist der Schlag der Axt!
Die Axt macht licht, und sie haßt das Licht-machen. Sie will Dichtigkeit von Zweigen und Stämmen, von allen Stämmen, rings um sich haben. Sie will Waldesdunkel haben! Aber die Axt macht die Bäume bis in die Wipfel erbeben, kippen und sich plötzlich legen.
Am nächsten Morgen ist der Laut wieder da!
Und er hält den ganzen Tag an. Sie sitzt in ihrem Versteck und schneidet Gesichter, sie fühlt jeden Hieb wie einen Stich in ihrem Fleisch. Hu, diese Laute, diese verdammten, menschengeschaffenen 57 Laute, sie rauben ihr das Verweilen im Verdauungswohlsein und erfüllen sie statt dessen mit aufregender Unruhe.
Als dann der Abend kommt und die im Laufe des Tages angehauenen Bäume anfangen zu fallen, als das Krachen und Poltern und Dröhnen seinen Höhepunkt erreicht, da fliegt sie einem Waldarbeiter in den Nacken.
Die Waldarbeiter pflegten sonst nie etwas von Strix zu sehen; sie hörten sie nur. Oh, oh! klagte etwas in der Tiefe; uh, uh! antwortete es von weit her. Das war zu der Zeit, als Uf noch lebte. Da hatten sie in den frühen Abendstunden, namentlich in der Paarungszeit, ihre feurigen Wechselgesänge angestimmt; sie hatte laut gerufen, scharf und innig begehrend, und er hatte geantwortet, tief, hohl, mit einem unheimlichen Uhuu, das aber für ihr Ohr so wild und aufreizend klang.
Die ganze voraufgegangene Nacht hatte Strix nach Uf gerufen, aber vergebens ... auch das hat dazu beigetragen, sie aufzuregen.
Sie bedient sich ihrer bekannten, unfehlbaren Überrumpelungstaktik. Ungeahnt taucht sie auf aus dem flockigen Versteck der Dunkelheit, wirft sich über den Waldarbeiter, packt ihn mit beiden Fängen bei den Schultern und wärmt ihm die Ohren mit den Flügeln. Mit ihren scharfen Ellbogenknochen schlägt sie ihn in die Schläfen und macht ihm ein paar blaue, blutunterlaufene Augen, dann greift sie ihm in die Haarbüschel und schüttelt ihn. Der Holzhauer wirft sich auf die Nase und schlägt die Hände vor seine Augen; aber jetzt erst nimmt Strix ihn als rechtmäßige Beute in Besitz. Sie hakt die Fänge in seinen Körper und reißt ihm den Hintern auf ...
58 Es ist Pist Lak, den sie gefaßt hat, aber sie ahnt es nicht. In diesem Augenblick sind ihr alle Menschen gleich!
Pist, der im ersten Nu, ehe er noch die Fänge der Eule zu kosten bekam, ganz entzückt war, jetzt endlich die Gewißheit zu erlangen, daß dieser Geldvogel noch immer hier ist, hat plötzlich seine Ansicht geändert ... er brüllt wie ein Stier.
Da erdröhnt der Erdboden, da trampelt es im Laub: kla-datsch, klingt es ... kla-datsch, kla-datsch ...
Ein Zucken durchfährt Strix!
Ihr Gesicht kann sie täuschen, kann vergessen; ihr Gehör nie. Sie weiß es schon lange, bevor sie die Gestalt erblickt: jetzt kommt er, der lahme Kerl mit dem stinkenden Atem!
Ein mehr als instinktmäßiges Rachegefühl ergreift sie ...
— — —
Wie gewöhnlich ist der kleine Leuchtturmwärter auf seinem Frühlingszug nach Raubvogeleiern aus! Raubvogeleier hatten stets ihren Wert, denn sie wurden immer seltener. Krähen-, Bläßhuhn- und Elstereier dahingegen wollte niemand mehr haben, die waren jetzt zu gewöhnlich.
Den ganzen Nachmittag hat er sich in der Nähe von Holzwärter Pist’s Arbeitsplatz aufgehalten, war mehrmals bei ihm gewesen und hatte ihn gequält, er möge ihm doch den Horst des großen Uhus zeigen. Pist hat immer geantwortet, so wie es war: daß er den Horst gar nicht wisse, ja, in diesem Jahre die Vögel nicht einmal gesehen habe. Aber der gute Leuchtturmwärter, der nicht ohne Grund ein schlechtes Gewissen in bezug auf gewisse sieben Kronen hat, die er seinem kleinen Unteragenten noch vom vergangenen Jahre her schuldet —, hat im Stillen gemeint, daß die wohl Schuld daran seien.
59 Da hört er auf einmal das fürchterliche Gebrüll ...
Mit Sturmeseile kommt er gelaufen und sieht zu seinem ungeheuren Erstaunen, zugleich aber mit geheimer Freude, den großen Uhu auf Pist’s Rücken reiten. Im ersten Augenblick ist er ganz überwältigt von seinem Glück — dann ergreift er seinen schweren, eisenbeschlagenen Eichenknittel und haut auf die Eule ein, die sich aufgeblasen hat und ihm ins Gesicht fahren will. Der Schlag trifft Strix an den Kopf, sie verliert die Besinnung ... und als sie wieder zu sich kommt, sitzt sie hinter Schloß und Riegel.
Sie ist in einem Kükenbauer untergebracht — in demselben hölzernen Kasten, der vor einem halben Jahre ihre Jungen beherbergt hat. Er ist gründlich nachgesehen und frisch genagelt.
Ihr wird etwas schwammige Lunge durch das Gitter gesteckt. Da sprühen ihre Lichter Funken, und sie faucht wie eine Katze. Der Leuchtturmwärter tritt unwillkürlich einen Schritt zurück —: Du großer Zerstörer! sagen die Lichter ... könnte ich dich nur auffressen!
Strix rührt die Lunge nicht an. Gefräßig starrt sie dem hahnenschnäbeligen kleinen Kerl in die stechenden Augen und sieht drei lange Narbenstreifen, die an seiner Wange herablaufen. Soviel kann ihr bißchen Eulenverstand fassen, daß diese Fratze alles erwägt, was ihrem Besitzer zum Vorteil dient ... sie ist gleichsam von einem Vollmond-Kälteglanz umgeben!
Die Dunkelheit senkt sich herab, und Strix arbeitet die ganze Nacht, um aus dem Bauer zu entkommen ...
Sie scheuert sich den Bart ab, indem sie ununterbrochen mit dem Schnabel an den Gitterstäben auf und nieder kratzt, und 60 sie schlägt sich den starken Ellbogen blutig durch ihr ständiges Stoßen. Aber das Bauer ist solide, es hält!
Als das Licht des Tages sie eine Weile geblendet hat, so daß sie gezwungen ist, sich in den dunkelsten Winkel des Kastens zurückzuziehen, fängt sie den Laut von Schritten auf: es ist das Strix jetzt so bekannte kla-datsch, kla-datsch. Der hinkende Hahn in dem blauschimmernden Gewand, mit dem flachen, schmetterlingbunten Kamm auf dem Kopf, tritt vor das Bauer und macht sich daran, mit einem Stock in ihren Brustdaunen zu wühlen. Sie schlägt ihren Fang in den Stock und fährt auf ihn los, so daß das Blut aus dem verletzten Flügelknochen ihm ins Gesicht spritzt — und sie hört da draußen ein mächtiges Krähen.
Ihre Federn sträuben sich; sie hat sich aufgeplustert und sitzt da und faucht, die Flügel wie einen Schild vorn über dem Kopf erhoben.
Da kommen auf dem Boden des Bauers ein Paar sonderbare steife Klauen herangeschlichen; sie öffnen sich und schließen sich am Ende ihrer dünnen, storchähnlichen Beinstiele. Wenn sie nach der einen greift, nimmt die andere die Gelegenheit wahr — und dann auf einmal beißen sie sich in ihre beiden Ständer fest. Sie schlägt mit den Flügeln um sich und fällt hin ...
Da spürt sie wieder den erstickenden Geruch; der lahme Hahn bläst ihr seinen stinkenden Atem ins Gesicht; der legt sich ihr vor die Brust, benimmt ihr die Luft, sie schnappt und beißt blindlings um sich. Ein Nebel gleitet vor ihre Lichter und eine einschläfernde Wolke senkt sich über sie — sie muß schlafen, sie mag wollen oder nicht.
61 Als sie wieder erwacht, sitzt sie wie in einem hohlen Stamm, nur daß er ganz eng ist, und er schaukelt, als sei der Baum während eines Orkans im Begriff umzufallen.
Sie ist an den Gutsförster verkauft, an einen kleinen Teufel von Mann, eifrig und unverzagt, und ebenso hart von Gemüt wie hart von Händen. Es ist dem Förster endlich — dank Vogelhansens nie versagendem Ammoniak und seiner eigenen zusammenschraubbaren Fuchszange — gelungen, Strix in seine Gewalt zu bekommen und sie in den großen, einem Rucksack ähnelnden Eulenkorb zu sperren, der auf seinem Rücken schlingert. Jetzt radelt er mit ihr nach Hause. Strix soll als „Auf“ gebraucht werden!
Erst soll sie einige Tage hungern, damit sie mürbe wird und mit sich „reden läßt“. Dann soll sie einen Spatzen bekommen und nach und nach mehrere Spatzen, bis sie auf ordentliche Zahmvogelart gelernt hat, dankbar aus der Hand zu fressen. Dann soll sie daran gewöhnt werden, sich um einen der Ständer fassen zu lassen, um mit dem Rücken am Boden des Bauers entlangschleppend, mit einem Ruck herausgezogen zu werden. Sie soll daran gewöhnt werden, wie eine brütende Henne angebunden zu sein und wie ein Piepvogel auf der Hütte zu sitzen, während die Krähen sie umlärmen und ausschimpfen, und er, der Förster, im Hinterhalt liegt und eine Krähe nach der andern niederknallt. Endlich soll sie, sobald sich eine passende Gelegenheit bietet, verkauft werden, und der Erlös soll zwischen ihre drei Aktionäre verteilt werden.
— — —
Bei der Ankunft in der Försterwohnung des Gutes jenseits der Förde wird plötzlich „der Orkan“ so stark, daß der hohle 62 Stamm, in dem Strix sitzt, den Boden in die Höhe kehrt. Sie wird kopfüber in ein Bauer geschüttet.
Das Bauer ist alt und mürbe. Es hat ein paar Jahre lang einen kleinen Krüppel von Hütten-Eule beherbergt, aber die machte keine Faxen. Die hat da gesessen von dem Tage an, da sie als junger Vogel von einem kleinen stinkenden Menschen im Walde geraubt und von seinen großen, rotgefrorenen Händen dahineingesetzt wurde. Der Förster hatte sie allmählich so weit gezähmt, daß sie von selbst herausflog und sich auf den Deckel des Eulenkorbes setzte.
Es riecht noch nach ihr im Bauer und da liegen eine Menge Federn und Überreste von Geschmeiß. Da liegt auch eine halb gekröpfte magere Taube — dem kleinen Krüppel, der übrigens eben erst eingegangen ist, hat es offenbar an Appetit gefehlt.
Es ist eine gefährliche Taube! Wäre Strix nicht ein wilder Vogel gewesen und hätte die Äsung verachtet, in die sie nicht selbst ihre Fänge geschlagen hat, so wäre es mit ihr aus gewesen. Die Taube ist eines natürlichen Todes gestorben ... an Hühnerdiphteritis. Der Förster hat keine Ahnung davon gehabt — eine Hütteneule bekommt ja alles: von im Hause gefangenen Ratten bis zu abgebalgten Füchsen!
Strix sitzt da und schlingert; ihr ist noch etwas unklar nach der Betäubung. Sie starrt durch das halbverrostete Drahtgewebe und sieht vor sich, auf der Tür ausgespannt, gleichsam einen Schatten von sich selbst: einen großen, braunfederigen Riesenuhu mit einer Schnabelspalte, die bis weit unter die Ohren reicht. Er hat nur einen Fang.
Strix meint, sie müsse den Fang kennen!
Dann kühlt die Luft um sie her allmählich ab; lange schwarze 63 Schatten schleichen sich über den Hof hin — — der Tag geht zur Rüste.
Gleich einem großen Vogelzug mit Wildrosenschimmer über den flimmernden Flügeln sieht sie die Wolken dem fernen, roten Abendland entgegeneilen.
Und der Wind folgt hinterdrein, so schnell er nur kann ... es wird geräuschleer, fast waldeinsam um sie her.
Bald jagt die erste kleine behende Fledermaus an ihrem Bauer vorbei. Es folgen mehrere — und dann auf einmal wimmelt es von Fledermäusen. In unbeständigem Zickzackfluge huschen sie über den Hof, aus und ein, wenden in rechten Winkeln oder schaukeln in langen anmutigen Zirkelbogen herum, um dann wieder wegzuflimmern und zu Punkten in der Luft zu werden.
Große, schwerbelastete Nachtschwärmer mit dem fetten, plumpen Hinterkörper, der unter ihren hastig schwirrenden Flügeln herabbaumelt, schrauben sich mühsam vor ihr in die Luft empor, während ungeschlachte, brummende Maikäfer mit einer Geschwindigkeit, die sie veranlaßt, lange Striche die Kreuz und die Quer durch die Luft zu ziehen, klatsch, klatsch gegen das Bauer schlagen und krabbelnd herunterfallen.
Die Finsternis verdichtet sich um Strix ... in dem tiefen Blau oben über den Baumwipfeln funkelt der Abendstern, gelb und groß, als einziges, schimmerndes Loch in der Himmelskuppel ...
Die treuen Tiere der Nacht sind alle ausgegangen!
Sie ist nun wieder ganz zu Kräften gelangt und rumort in ihrem Gefängnis herum, während sie mit Schnabel und Fängen an dem Drahtgewebe zerrt. Sie zieht es auseinander, sie holt es zu sich heran, sie rüttelt und reißt — und das Drahtgewebe zerspringt.
64 Es hat Jahre lang gehalten; jetzt kann es keine Stunde mehr halten!
Sie bekommt den Kopf heraus und den halben Körper, aber die beiden großen Flügel bleiben hängen. Sie muß wieder zurück, wieder hinein und weiter an den zähen Strängen zerren; ihre Zunge blutet, ihr Schnabel schmerzt — aber endlich gelingt es ihr doch das ganze Drahtgewebe aufzureißen.
Als sie sich auf der Schwelle zur Freiheit befindet, fährt plötzlich ein kleines, schiefbeiniges, rotbraunes Ding kläffend auf sie ein. Es ist der Nachtwächter und Gefängniswärter hier auf dem Forsthofe, der alle die verschlossenen Türen und Luken unter seiner Aufsicht hat. Das fürchterliche Rumoren dort im Eulenbauer hat ihn schon lange darauf aufmerksam gemacht, daß da etwas los ist; nun will er aber die neue Eule lehren, daß er sich dergleichen gründlich verbitten muß.
Der wachsame kleine Gefängniswärter hat indessen kein Glück. Strix schlägt die Fänge in seinen Rücken ... er fängt an, gottsjämmerlich zu heulen und stürzt schreckerfüllt ins Haus hinein.
Es ist sonderbar ... aber das Geheul erinnert sie auf einmal wieder an Uf!
Im selben Augenblick schreitet ein kleiner schwarz- und weißgefleckter Kater mit steifem Schwanz und eifrig windenden Nüstern auf den Hofplatz. Er gehört eigentlich zu einem Forsthaus weit drüben auf der andern Seite der Förde, aber der Frühling zerrt auch in ihm! Des Fressens halber kommt er nicht, doch ... wenn sich die Gelegenheit bietet, nimmt er gern einen Bissen mit. Jetzt wittert er plötzlich Vögel und sieht eine Chance ...
65 Er verrechnet sich, armer Kerl — und es geht ihm schlimmer als dem kleinen, schiefbeinigen Gefängniswärter. Strix, die nun glücklich dem Bauer entronnen ist, nimmt ihn als ihre rechtmäßige Gefangenenkost und hält eine wohlverdiente Mahlzeit an ihm.
Noch in derselben Nacht findet sie sich über die Förde zurück und in ihre Einöde in dem trauten Hochwald. Sie versteckt sich in ihrem hohlen Baumstamm ... da sitzt sie und denkt das ihre über das Dasein.
Zu Anfang war sie dem Eindringen der Menschen in ihr Bereich offen und mit Macht begegnet!
Was sollte sie wohl fürchten?
Sie hatte ja ihren scharfen Schnabel und ihre spitzen Fänge, und sie hatte ihre großen, starken Flügel; sie besaß Selbstvertrauen und Zutrauen zu ihren Fähigkeiten und Kräften — was sollte sie wohl fürchten!
Aber ihr häufiges Zusammentreffen mit den Menschen und die Erfahrung, die sie daraus schöpfte, hatte ihrem Vertrauen auf eigenes Vermögen einen Stoß versetzt; hier hatte sie ja einmal über das andere ihren Meister gefunden —; einen Gegner, den sie nicht hatte in die Flucht schlagen können!
Daß der Mensch gefährlich war — das begriff sie jetzt.
Es war nicht besser geworden mit der Unruhe im Hochwald. Noch am Abend bei Sonnenuntergang, wenn sie aus ihrem Tagesschlaf erwachte und sich anschickte auszufliegen, konnte sie Wagenrollen und Äxteschlagen hören.
Ihr großes Heim, wo sie vor vielen Jahren in ihrer Jugend gewohnt hatte, war schon umgestaltet und abgeholzt. Ganz 66 weit draußen, wo einst ihr Horstbaum stand, erhob sich jetzt ein Haus neben dem andern, Gitter und Hecken wechselten ab mit Stacheldraht und Zäunen; Motorräder surrten umher, Telephondrähte durchwebten die Luft, lange Schornsteine spien die Eingeweide der Erde aus, und heulende Eisenbahnzüge fauchten überall. Die Menschen breiteten sich aus wie die Wanderratten in gewissen Jahren auf dem Berge ihrer Vorfahren; Strix wollte es scheinen, als müßten sie vorwärts über ihre Leichen!
— — —
Und dann ward endlich der Gipfelpunkt erreicht.
Es ist Jagd im Tierwald, dem letzten der einstmals so ausgedehnten Hochwälder am innersten Ende der Förde, dort, wo Strix ihre jubelerfüllten Tage gelebt hat — und die Hunde hetzen einen Hasen. Sie wird von dem Gekläff geweckt, und als sie den Hasen vorüberschlüpfen sieht, kann sie nicht widerstehen; sie muß der Bande folgen.
Es ist ja ihr Hase, den die Hunde hetzen! Es ist der letzte Hase, der sich hier im Walde, ja, in der ganzen Umgegend findet — nun holen die meutestarken Teufel ihn!
Ihr gehören alle Hasen, das ist doch ganz selbstverständlich; so lange sie gelebt hat, haben die Hasen ihr gehört!
Strix setzt von ihrem Zweig aus den Spürhunden nach ...
Sie streicht lautlos über ihnen und wirft sich mit einem Brausen dicht vor der Nase des ersten nieder. Im Vorüberflug gibt sie ihm einen Fang, der sein rechtes Nasenloch unheimlich klaffen macht. Der Hund stößt ein durchdringendes Geheul aus ...
Dann bei einer Wegbiegung, packt Strix den Hasen.
67 Sie ist schon dabei, ihn zu verzehren, als zwei große Spürhunde nahen. Mit dem dicken Ende des Flügelknochens versetzt sie dem eifrigsten einen Schlag gegen die Nase und zerfetzt mit den Fängen das Ohr des andern.
Nach einer Weile erscheint einer von den Jägern.
Er ist wie gelähmt, als er aus der Ferne die Hunde geifernd um einen großen Vogel sitzen sieht — und er bleibt schleunigst stehen und macht sich schußbereit.
Er will dir den Raub wegnehmen, denkt Strix ... na, versuch’ es nur mal!
Da entsendet der Jäger ein Brüllen in den Wald hinaus, sein Atem geht von ihm aus wie ein heißer Kampfesodem, und mit unsichtbaren Fängen zerrt er an ihrer Haut.
Das war unergründlich geheimnisvoll, und davor entfloh sie!
Aber nun hatte Strix genug — seit dieser Zeit hielt sie sich den Menschen fern.
Der große Uhu kann sich nicht mit der Kultur abfinden.
Es gab einige Tiere, die sich nach ihr einstellen konnten. Füchse und Dachse zum Beispiel, Marder und Wiesel, die konnten sowohl in der zahmen Natur wie in der Wildnis gedeihen. Und da waren andere, die den wilden unangebauten Gegenden ganz entsagen konnten, die Vorteil zogen aus der stark um sich greifenden Urbarmachung und ihr Leben danach einrichteten. Da waren Rebhuhn, Hase, Reh, Krähe und Elster; die wuchsen förmlich aus dem Boden, wo die Axt rodete und wohin der Pflug kam. Sie aber, Strix Bubo, konnte sich auf keinen Vergleich mit dem Neuen einlassen. Alles das, was aufräumte und licht machte, war ihr ein 68 Greuel; es tötete die Lebensfreude in ihr ... es hatte sie, so lange sie denken konnte, ununterbrochen in die Flucht getrieben.
Aus ihrer Einöde in den Hochwäldern um die Tiefe der Föhrde wird sie nun weiter und weiter hinausgedrängt, dem Waldessaum zu, bis sie schließlich wegfliegen muß — hinweg über die Menschennester, hinweg über das Land jenseits der Menschennester, hinaus nach einem sonderbaren, ausgestorbenen Walde, der einsam und fern zwischen Sümpfen und Heidemooren liegt.
In einer wilden Hügelschlucht — Teufelshöhle genannt — vor einem öden, düstern Waldsee findet sie endlich in dem verfaulten Stamm einer alten, leeren Buche eine neue Freistatt, ein Heim, das ihr uraltes Sehnen nach einer Bergschlucht erfüllt.
Sie haßt Stimmengekrächz, sie haßt Hundegekläff — und Axthiebe und Sägezahnbisse können sie um Sinn und Verstand bringen. Sie sollte nur niederstoßen auf diese Friedensstörer, auf diese großen Ratten, die selbst hier im entlegenen Walde, wenn auch nur von Zeit zu Zeit, herumhuschen.
Aber sie mag nicht mehr; auf alle Fälle nicht am Tage — und des Nachts geschieht es nie, daß diese Mitgeschöpfe sich bemerkbar machen. Dann heult nur der Wind, und der Wald summt seine alten Melodien; sie kann ungestört jagen, ungestört kröpfen, nach allen den bekannten Wiesen und Lichtungen fliegen und vernünftige Spaziergänge in aller Ruh rings umher auf dem Waldboden unternehmen.
Die Finsternis ist ihr Reich, und die Finsternis kehrt wieder nach dem Lärm des Tages, kehrt immer, immer wieder ...
Nur diese Tatsache hält sie beständig fest, sonst wäre sie Uf längst nachgeflogen — über alle Berge! 
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