Die Andernacher, sowie die Einwohner von Bonn, schlafen lange, und des Morgens stehen nur die Bäcker früh auf, damit das frische Brot zum Frühstück bereit sei.
Es war einmal Krieg zwischen Andernach und Linz, darum haben sich noch heute diese Städte nicht gern. Da die Linzer sehr gut wußten, daß die Andernacher immer bis spät schliefen, beschlossen sie, die Stadt einmal früh Morgens zu überfallen. Alle ihre Pläne waren sehr gut gelegt, und sie glaubten, daß sie jetzt siegen würden. Um Mitternacht am bestimmten Tage verließen sie Linz und gingen leise gegen Andernach zu, wo sie früh anzulangen, und leicht ungesehen durch die unbewachten Thore der Stadt zu dringen dachten.
Unterdessen hatten die Andernacher Bäcker ihr Brot gebacken, und als ihre Arbeit fertig war, legten sich die Bäcker auch nieder, um ein Morgenschläfchen zu genießen.
Als die Linzer sich der Stadt näherten, schliefen alle Einwohner fest, außer zwei Bäckersjungen. Diese allein schliefen nicht. Sie waren leise aus dem Backhause gegangen, denn sie hatten die Bienenstöcke des Thorwärters auf dem Turme entdeckt, und wollten den vortrefflichen Honig versuchen. Ohne Lärm zu machen, schlichen sie die Treppen des Turmes hinauf, und als sie oben angekommen, stellten sie sich an, ein schönes Stück Honig zu nehmen.
Da, auf einmal, hörten die Jungen ein kleines Geräusch (Lärm). »Ach!« flüsterte der eine dem anderen zu. »Der Wärter kommt! Er wird uns sicher bestrafen.«
Zitternd hörte auch der andere dem Lärme zu, und sagte nach einem Augenblick:
»Es kann doch nicht der Wärter sein. Er war fest eingeschlafen! Er käme die Treppen herauf. Das Geräusch kommt nicht von der Treppe! Es scheint da draußen zu sein.«
Leise, sehr leise, denn er wollte in seinem Honigstehlen nicht ertappt werden, schlich er zum Rande des Turmes, und sah neugierig hinunter. Da standen die Linzer, ganz bewaffnet, und der Bäckersjunge sah, daß sie ihre Leiter aufstellen wollten, um über das Stadtthor hinweg in die Stadt zu steigen, die schlafenden Einwohner zu überrumpeln.
Die Bäckersjungen, welche die Gefahr sogleich begriffen hatten, standen einen Augenblick verdrossen da.
Was sollten sie thun? Sie konnten die Einwohner unmöglich schnell genug aufwecken, und hatten keine Waffen, um den Feind zurückzustoßen.
Auf einmal dachte der eine Bäckersjunge an die Bienenkörbe da droben. Er winkte leise seinem Kameraden. Beide hoben dann einen Korb sorgsam auf, trugen ihn an den Rand des Turmes, und auf einmal schleuderten sie ihn auf die Linzer, die am Fuße des Turmes versammelt standen.
Im Fallen zerbrach der Bienenkorb in Stücke, die Bienen flogen wild umher und stachen die Linzer, bis sie laut schreien mußten.
Während die aufgeregten Bienen das Stadtthor verteidigten, eilten die Bäckersjungen die Treppen hinunter, liefen schnell dem Rathause zu, zerrten an der großen Glocke, und weckten die trägen Andernacher aus ihrem langen Morgenschlaf.
Alle liefen jetzt ans Thor, um die bedrohte Stadt zu verteidigen, aber ihr Beistand war nicht mehr nötig, denn die Bienen hatten so wacker gestochen, daß die Linzer sich in Eile geflüchtet hatten.
Aus Dankbarkeit ließen die Einwohner von Andernach die Bilder der zwei Bäckersjungen aus Stein hauen, und stellten sie unter das Stadtthor, das sie so gut verteidigt hatten. Hier kann man sie noch sehen, denn die Andernacher haben die Heldenthat noch nicht vergessen, und sprechen oft von dem glücklichen Einfall der Bäckersjungen.