Hameln ist eine schöne, kleine Stadt im Norden Deutschlands. Die Leute von Hameln sind gut, und sie sagen immer: »Unsere Stadt Hameln ist eine wunderschöne, kleine Stadt. Keine Stadt in Deutschland ist so schön, als unsere wunderschöne Stadt!«
Die Einwohner (Leute) von Hameln sind glücklich (froh). Sie sind alle sehr glücklich. Aber einmal waren sie nicht glücklich, nein, sie waren sehr traurig. Sie waren so traurig, weil Mäuse (eine Maus, zwei Mäuse), viele Mäuse in die Stadt gekommen waren. Mäuse und Ratten waren überall. Die Mäuse waren in allen Häusern (ein Haus, zwei Häuser), und sie fraßen das Korn. Ja, die Mäuse und Ratten fraßen alles.
Dann sagten die Hausfrauen: »Die Mäuse müssen fort. Ja, wir müssen diese Mäuse los werden.«
Die Männer (ein Mann, zwei Männer) sagten es auch, und endlich sagten alle Einwohner von Hameln:
»Ja wohl, diese bösen Mäuse müssen wir los werden.«
Die Männer gingen alle in das Stadthaus, und da sprachen sie lange, lange zusammen. »Wie können wir die Mäuse los werden?« fragten sie alle, aber sie konnten kein gutes Mittel finden, um die Mäuse loszuwerden.
Die Männer waren sehr traurig, denn jeden Tag, als sie nach Hause kamen, fragten die Hausfrauen:
»Nun, haben Sie ein Mittel gefunden? Werden wir die Mäuse bald los sein?«
Aber die Männer sagten immer: »Nein, wir haben kein gutes Mittel gefunden, und wir werden die Mäuse noch nicht los werden.«
Endlich sagte der Bürgermeister:
»Dem Manne, der uns helfen kann, die Mäuse los zu werden, geben wir Gold, viel Gold.«
»Ja wohl,« sagten alle Männer. »Dem Manne, der uns helfen kann, die Mäuse los zu werden, geben wir viel, sehr viel Gold.«
Dann kam ein Mann. Der Mann war kein Einwohner von Hameln. Er kam in die Stadt. Er kam zu dem Bürgermeister und sagte: »Ich kann die Mäuse alle fortbringen. Geben Sie mir das Gold, und Sie werden die Mäuse los sein.«
»Gut,« sagte der Bürgermeister. »Wenn Sie die Mäuse und Ratten alle aus der Stadt bringen, so daß sie nicht wiederkommen, so werden wir Ihnen das Gold geben.«
Der Mann hatte eine Pfeife. Er konnte schöne Musik auf seiner Pfeife machen. Die Musik war wunderschön. Die Einwohner von Hameln hatten nie so schöne Musik gehört.
Der Pfeifer ging auf die Straße. Er ging in die schönste und längste Straße in Hameln, und dann begann er auf seiner Pfeife schöne Musik zu spielen.
Die Musik war zuerst sehr, sehr leise, aber nach einigen Minuten wurde sie lauter und lauter. Der Pfeifer spielte mehr und mehr, und als er spielte, kamen die Ratten und Mäuse alle aus den Häusern. Ja, alle die großen und kleinen Mäuse und Ratten kamen zu ihm.
Die Leute sagten alle:
»Ach! sehen Sie doch, da kommen alle die bösen Ratten und Mäuse! Sie kommen alle, um die Musik zu hören. Sie kommen aus den Häusern und sie laufen alle dem Pfeifer nach.«
Jetzt spielte der Pfeifer noch schöner, und ging langsam, sehr langsam, die lange Straße entlang. Und die Ratten und Mäuse folgten ihm.
»Sehen Sie doch!« sagten die Leute. »Sehen Sie doch, die Mäuse folgen dem Pfeifer!«
Die Ratten und Mäuse folgten dem Pfeifer aus der Stadt, aus der wunderschönen Stadt Hameln.
Bald war keine Maus und keine Ratte mehr in der Stadt, und die Einwohner waren alle froh, sehr froh.
Die Einwohner wollten sehen, was der Pfeifer mit den Mäusen und Ratten thun wollte, so gingen sie auch alle aus der Stadt. Dann sahen sie den Pfeifer, von Ratten und Mäusen gefolgt, gegen den Fluß gehen. Nahe bei Hameln ist die Weser. Die Weser ist ein großer Fluß. Da ist viel Wasser, sehr viel Wasser.
Der Pfeifer spielte jetzt so laut, daß Mäuse und Ratten das Wasser nicht merkten (sahen). Er spielte immer lauter, und ging in das Wasser, und die Ratten und Mäuse folgten ihm. Da sie die schöne Musik hörten und da sie nicht gut schwimmen konnten, ertranken sie alle in dem tiefen Strom. Ja, alle Mäuse und Ratten ertranken.
Als die Ratten und Mäuse alle tot waren, kam der Pfeifer wieder in die Stadt. Er kam wieder vor den Bürgermeister und sagte:
»Mein Herr, jetzt sind Sie die Mäuse und Ratten alle los. Geben Sie mir meinen Lohn (Gold).«
»Ach nein,« antwortete der Bürgermeister. »Sie werden keinen so großen Lohn haben. Sie haben ja nur Musik gespielt. Ihre Musik ist schön, das ist wahr (das ist so), aber ich kann nicht so viel Gold für Musik geben.« Und der Bürgermeister wollte dem Pfeifer nichts geben.
Dann war der Pfeifer böse und sagte: »Mein Herr, Sie haben versprochen (gesagt), daß Sie das Gold geben würden, wenn Sie nur die Ratten und Mäuse los sein könnten. Ich habe sie alle in der Weser ertränkt. Sie kommen nie wieder, denn sie sind alle tot. Jetzt geben Sie mir meinen Lohn.«
»Nein,« sagte der Bürgermeister, »die Ratten und Mäuse sind tot, und das ist gut. Sie können nicht wiederkommen, so werde ich Ihnen das Gold nicht geben. Gehen Sie fort, Pfeifer, gehen Sie fort, ich gebe Ihnen keinen Lohn.«
»Nun,« sagte der Pfeifer, »wenn ich kein Gold haben kann und kein Silber, so muß ich die Kinder haben!«
Und der Pfeifer ging in die Straße, in die schönste und längste Straße von Hameln, und da spielte er wieder seine schöne Musik.
Die Musik, zuerst leise, wurde immer lauter, und da kamen, nicht Ratten und Mäuse, denn sie waren ja alle tot, aber da kamen Kinder, groß und klein. Sie kamen alle aus den Häusern, so schnell.
»Ach!« sagten die Mütter. »Sehen Sie doch die Kinder! Sie folgen dem Pfeifer, er spielt ja so schön!«
Die Mütter sahen die Kinder, groß und klein, die alle dem Pfeifer folgten. Sie folgten ihm die lange Straße entlang. Die Mütter riefen laut: »Kinder, kommt nach Hause!« aber die Kinder hörten nichts als die Musik, die wunderschöne Musik, und sahen nichts, als den Pfeifer.
Dann sagten die armen Mütter: »Ach, sehen Sie doch, die Kinder folgen dem Pfeifer. Er wird sie auch zu dem Wasser bringen. Er wird sie, wie die Ratten und Mäuse, in der Weser ertränken!«
Und die Mütter riefen laut, sehr laut, den Kindern zu, und sie wollten nach den Kindern gehen, aber sie konnten nicht!
Der Pfeifer spielte immerfort. Er ging weiter und weiter, und die Kinder, groß und klein, folgten ihm. Sie waren ja alle so froh, denn die Musik war so wunderschön, daß sie tanzen und lachen mußten.
Aber der Pfeifer ging nicht zum Wasser. Ach nein, er ging weiter, viel weiter.
Endlich kam er mit den Kindern zu einem Berge. Der Berg war hoch, sehr hoch.
»Ach!« sagten die ängstlichen Mütter, »das ist gut. Der Pfeifer kann nicht spielen, wenn er den Berg hinan geht. Wenn er nicht mehr spielt, werden die Kinder hören, wenn wir rufen, und dann werden sie wieder in die Stadt kommen.«
Aber das war nicht so, denn auf einmal that sich der Berg auf. Da war eine wunderschöne Höhle! Der Pfeifer ging hinein. Er spielte immer lauter und schöner, und die Kinder, die noch immer tanzten und lachten, folgten ihm. Sie folgten ihm alle, und als sie alle in der Höhle waren, schloß (machte) sich der Berg wieder zu, und die armen Eltern sahen ihre lieben Kinder nie wieder.
Es waren keine Ratten und Mäuse mehr in der Stadt Hameln, aber es waren auch keine Kinder mehr, weder große noch kleine, und die Eltern weinten bitterlich.
Es war nur ein Kind in Hameln. Das Kind war lahm. Es konnte nicht tanzen, und es weinte auch und sagte immer: »Ach, warum konnte ich nicht mit den anderen Kindern gehen? Der Pfeifer spielte so schön, und die Musik sprach (sagte) von Rosen und Zucker, von Honig und Kuchen. Die Kinder haben gewiß viele schöne Rosen im Berge gefunden, und der Pfeifer giebt ihnen viel Zucker und Honig, und viele gute Kuchen. Ach, ich bin traurig, und ich muß immer weinen, und die anderen Kinder sind alle so froh.«
Das lahme Kind war traurig, die Mütter und Väter waren es auch, denn sie konnten ihre lieben Kleinen nicht mehr sehen. Alle die Einwohner von Hameln waren traurig und der Bürgermeister sagte:
»Keine Musik soll je in der langen Straße gespielt werden!« und er sagte auch, daß das Jahr tausend zwei hundert vierundachtzig (1284), als der Pfeifer nach Hameln kam, und die Kinder fortnahm, ein trauriges Jahr gewesen, das traurigste, das er je erlebt (gesehen) hatte.