Wie Fedelint durch ein Unglück ein Glück macht.
Eben war Fedelint im Begriff, seinen kühlen Sitz zu verlassen, und dachte daran, wie er doch so ein leichtsinniger Mensch sei, und nun müsse er sich eine doppelte Portion Fliederthee bei der alten Schneiderin bestellen; da rauschte es nicht gar weit von ihm in den Wellen, daß er neugierig in die Höhe sah. An einer breiteren Stelle des Wildbachs war's, da ging eine ordentliche Bucht ins Ufer hinein, rings von dichtem Busch bekränzt, daß man nicht wohl anders hinsehn konnte, als von der Stelle, wo Fedelint saß. Da mußte das Wasser gar tief sein, denn es war blau und still und kein Kiesel schimmerte vom Grunde. Ein blondes Weib tauchte aus der Tiefe auf, die langen Haare von Vergißmeinnicht und Wasserlilien gekrönt, ein griechisches langes Gewand umgeworfen, weiß und silberglänzig. Sie setzte sich, Fedelint abgewandt, auf einen der großen mit Moos überwachsenen Granitblöcke, die der Bach im Frühling mit sich hinabreißt, und begann ihre gelös'ten Haare in einen Wellenscheitel zu ordnen, wie es Fedelint bei den alten Marmorbildern der Göttinnen gesehn hatte; dabei sang sie folgendes Lied:
Dein Herzlein mild,
Du liebes Bild,
Das ist noch nicht erglommen,
Und drinnen ruht
Verträumte Glut,
Wird bald zu Tage kommen.
Es hat die Nacht
Einen Thau gebracht
Den Knospen all im Walde,
Und Morgens drauf
Da blüht's zuhauf
Und duftet durch die Halde.
Die Liebe sacht
Hat über Nacht
Dir Thau ins Herz gegossen,
Und Morgens dann,
Man sieht dir's an,
Das Knösplein ist erschlossen.
Sie hatte kaum geendet, da hörte sie hinter sich ein gewaltiges Krachen, und gleich darauf fiel ein schwerer Körper ins Wasser. Wie sie umblickte, gewahrte sie Fedelint, bemüht sich aufzurichten zwischen den Steinen und Wellen; die Weide hing gebrochen über ihm. Er war, in das Lied versunken, zu weit aufs obere Ende hinaufgerutscht, um die Sängerin besser zu sehen. Die aber wandte sich halb erschrocken, halb zürnend um, und als sie den Mann im Schlafrock gewahrte, wie er den reißenden Wellen kaum Widerstand leisten konnte, rief sie:[189] Frevler, der du gewagt hast mich in der Waldeinsamkeit zu belauschen, zur Strafe sollen dir auf der Stirn wie weiland Aktäon zwei Hörnlein wachsen! – Damit wollte sie eilig in die Tiefe hinabtauchen; aber Fedelint, der mit Entsetzen auf seinem Kopf das Geweih wachsen fühlte, rief ihr flehentlich zu: Allerschönste Göttin oder Nymphe, wer du auch seiest, ich beschwöre dich bei der waldschützenden Diana, bleibe und laß mich nicht unverdient büßen! – Es lag so etwas Rührendes in seiner sanften Bitte, daß die erzürnte Schöne unwillkürlich zögerte. Fedelint schwang sich indessen ans Ufer, und als er in dem wogenden Silberspiegel sich beschaute und den stattlichen Kopfschmuck ganz unbefangen als wenn's gar nichts wäre auf seiner Stirn sitzen sah, mußte er, so traurig er war, doch laut auflachen. Er kam sich gerade so vor, wie der Moses in den alten Bilderbibeln, oder gar wie der leibhaftige Gottseibeiuns. Das muß wahr sein, Fräulein, sagte er mit ganz lustiger Stimme, da werdet Ihr keinen Mann kriegen, wenn's ruchtbar wird, daß Ihr's Hörneraufsetzen so gut versteht! Ich bin doch aber wahrhaftig unschuldig dazu gekommen. Habt Ihr ja ein ganz ehrbares Gewand bis über die Fußspitzen, und Diana seligen Andenkens saß gerade im Bad, als der Waidmann Aktäon des Wegs kam. Wenn Ihr mir nur in aller Welt sagtet, wie Ihr auf den Einfall mit den Hörnern gekommen seid! – Ach, sagte die Nixe, das ist eine lange Geschichte! – Sie schien ein bischen betrübt, säumte aber nicht, sondern schritt durch die Wellen,[190] die ihr ehrfurchtsvoll die Hand küßten, nach dem Ufer, wo Fedelint stand und das Wasser aus seinem Schlafrock rang. Sie setzte sich ins Gras dicht neben den Weidenstamm, der so tückisch unter Fedelint zusammenbrach, und hieß den jungen Mann neben sich sitzen. Seid nur dreist! rief sie, als sie bemerkte, daß er fortwährend besorgt nach dem Saume ihres Gewandes sah, ob nicht etwa ein garstiger Fischschwanz hervorguckte – ich bin kein Ungethüm, wie es Eure Poeten mir nachsagen; da seht! – Und damit streckte sie zwei rosige Füßchen aus den Wellen hervor, die der Mondschein küßte, daß das rothe Blut in den Adern viel lustiger zu rinnen schien. Fedelint fuhr nach dem Kopf und meinte gleich, es wüchsen ihm neue Hörner. Die Nixe lachte. Seid doch nicht wunderlich! sagte sie; Ihr sollt die ersten nicht behalten, viel weniger neue haben. An all dem Unglück ist doch nur der Schlafrock Schuld. Aber wer seid Ihr so eigentlich? fragte sie. Da erzählte ihr Fedelint treuherzig seine ganze Geschichte. Sein Vater war Schulmeister in einem kleinen Nest gewesen, hatte ihn früh auf die Universität gebracht und seinen einzigen Bruder auch. Der war aber in die Welt gelaufen; denn er war ein Musikant und spielte die Fiedel wie Einer, aber hinter den Büchern sitzen mochte er nicht. Nun kam die ganze Geschichte von seiner Liebe zu Funzifudelchen, und wie er heut Abend, nachdem er bei Wasser und Butterbrod im Carcer gesessen, von der alten Hexe vexirt sei. – Ach du armer Schelm! sagte die Nix, den Spuk hat dir[191] die böse Fee Aurora Mesopotamia angerichtet; denn wenn du dich hättest verführen lassen, wär' Funzifudelchen dir auf immer verloren gegangen. Aber du mußt ja recht hungrig sein! will dir gleich was holen lassen. – Sie pflückte in Eil von den Blümelein Vergißnichtmein, die häufig am Bach wuchsen, schlang ein Kränzchen und warf's gerade auf die tiefe Stelle. Dazu sang sie:
Kränzlein von den Blumen blau,
Schwimm zu meiner Kammerfrau!
Sag' ihr, daß sie bring' herbei,
Was vom Vesper übrig sei:
Fischsalat von Lachsforellen,
Butterbrödchen mit Sardellen,
Grünen Aal und blauen Hecht;
Schwimm und meld' ihr Alles recht,
Daß sie sei in Eile da!
Dies befiehlt dir Undula.
Das Kränzlein war Augenblicks hinabgesunken. Fedelint aber saß in tiefen Gedanken. Fräulein Nixe, fing er an, ist Undula wirklich Euer Taufnamen? – Die Nixe wurde roth. Man kennt mich jetzt nur unter diesem, sprach sie; früher hieß ich Wellindchen. Wenn Ihr mir zuhören wollt, sollt Ihr die ganze Geschichte wissen; dann werden sich auch manche andere Räthsel lösen. Wißt nun also vor allen Dingen, daß ich wirklich die Undula bin, die die böse Fee Mesopotamia meinte, als sie Euer Funzifudelchen verwunschen hat; und das Lied, das Ihr[192] von mir hörtet, ist das, wonach jetzt alle Welt aus ist. Früher aber – doch laßt uns abbrechen; ich sehe da meine Kammerfrau auftauchen, und es ist nicht gut, wenn die Dienstboten um die Familiengeheimnisse ihrer Herrschaft wissen.