Es war einmal ein kleiner königlicher Kuhjunge, der hieß John, und hatte Sonntag wie Alltag einen Miethszettel hinten heraushängen (nämlich den Hemdenzipfel, der aus den Höschen vorguckte). Darum nannten ihn die Kammerjungfern und Lakayen nie anders, als den Kuhjohn mit dem Miethszettel; und das nahm er sich sehr zu Herzen, denn er konnt' es doch einmal nicht ändern. Da seine Mutter selig ans Sterben kam, hatte sie ihm gehörig eingeschärft, er solle bei Hofe nur immer brav Respekt haben; dann werd' es ihm schon wohl gehn. Nun merkte er sich's und hatte erstaunlich viel Respekt, den ganzen Tag über bis spät in die Nacht, wo er sich auf dem Futterboden schlafen legte. Da ging's ihm denn auch wirklich recht wohl, für einen Kuhjungen zumal. Denn oben auf dem Boden hatte er ein Nest aufgespürt an der Dachluke, darin logirte eine Spatzenfamilie, die bei ihm in Kost ging. Ei, dachte er, wenn er ihnen Brodkrümchen streute, so giebt's doch auch Leute, die vor mir Respekt haben! Außerdem hatte er gute Freundschaft geschlossen mit der alten Melkmarei, die ihm oft eine Brodsuppe[144] kochte; denn das war eigentlich ihr Fach, und des Großmoguls Koch hätte es nicht besser verstanden. Nebenher aber war die Melkmarei eine richtige Hexe, und kein Mensch wußte es, und der kleine Kuhjohn auch nicht.
Der König nun, dem der Kuhstall gehörte, hieß Grobianus und hatte eine wunderschöne Tochter, die Naserümpfchen genannt wurde. Wenn der kleine Kuhjohn der Prinzessin ansichtig ward, hatte er noch zehnmal so viel Respekt als sonst, und noch weit mehr, als vor ihrem Vater, weil der sich mit all seinen Leuten gar so gemein machte und ihm selbst einmal höchsteigenhändig einen Fußtritt gab. Dergleichen fiel Naserümpfchen nicht ein; sie zuckte nur immer die Achseln und sagte zu Allem, was ihr nicht recht war, auf Französisch: puh!
Eines Tages ging sie gerade beim Kuhstall vorbei und bekam Lust, die Nase hineinzustecken. Der kleine Kuhjohn machte eben dem lieben Rindvieh die Streu und war so geschäftig, daß ihm sein Miethszettelchen fleißig hin und her wackelte. Wie er die Prinzessin in der Stallthür stehen sah, zog er seine Kappe in aller Eile und präsentirte seine Mistgabel nach Art der Soldaten. Darüber fing Naserümpfchen laut an zu lachen und sagte: Puh! 's ist doch entsetzlich muffig hier. Ach, und der kleine Kuhjohn mit dem Miethszettel ist ein rechter Mistfink! – Zufällig saß die Melkmarei auch im Stall und hörte das Alles. Es griff aber sehr an ihre Ehre; denn der Kleine war ja ihr Freund und für den Stall hatte sie mit zu sorgen. Da[145] wurde sie so erbos't, daß sie ihren Topf mit Brodsuppe Naserümpfchen über den Kopf goß und dabei folgenden Hexenspruch sagte:
Panorama Diorama
Spargnapani Cosmorama.
Naserümpfchen, werde zu
Einer weißen Blindekuh!
Sollst so lang vierfüßig laufen,
Bis du einen ganzen Haufen
Von Kuhblumen aufgefressen
Und den Hochmuth hast vergessen.
Will sich dann ein Mensch mit Grämen
Dein Geschick zu Herzen nehmen,
Daß er den Verstand verliert,
Dann ist Blindekuh kurirt.
Hokuspokus, Naserümpfchen
Mit den weißen Kuhhaarstrümpfchen!
Maccaroni Melodrama
Capuletti Monodrama!
Sie war kaum damit fertig, da war auch die Verwandlung schon vollendet, und statt der schönen Prinzessin stand eine gar zierliche weiße Blindekuh vor dem Stalle. Die Melkmarei ging hustend und schmunzelnd ihrer Wege und warf kaum noch einen Blick auf das arme verwunschene Naserümpfchen. Aber der kleine Kuhjohn bekam einen so gewaltigen Schreck, daß ihm die Mistgabel aus der Hand fiel. Darauf überlegte er, ob es nicht gegen[146] den Respekt wäre, wenn er zu der Prinzessin ginge und sich erkundigte, ob er ihr was helfen könne. Er that's endlich und sagte ganz sanft: Königliche Hoheit, befehlt nur, was Ihr von mir wollt; ich bin Euer unterthäniger Diener. – Die arme Blindekuh konnte zuerst nichts weiter antworten, als Muh!! und da erschrak der Kleine wieder, denn es klang ihm fast wie ihr gewöhnliches Puh! Dann aber kam die Prinzessin wieder zur Besinnung und sagte ganz verständlich: Ach lieber Freund! so kann ich mich doch nirgend sehn lassen; also sei so gut und führe mich weg, irgendwohin; denn ich fühle wohl, ich bin eine abscheuliche Kuh geworden, und blind wie ich bin, weiß ich auch nicht Weg und Steg. – Das rührte den Kleinen; er sagte, er werde gleich wieder da sein und stieg hinauf in den Futterboden, um ein wenig Heu zu holen und es um ihre Hörner zu wickeln, damit sie nicht so drückten. Wie er bei seiner Spatzenfamilie vorbeiging, riefen die kleinen Vögelchen:
Bitte bitt',
Nimm uns mit,
Liebster Kuhjohn!
Verdienst dir Gotteslohn.