Sie sagten, es sei Winter. Da ging ich hinaus, ihn zu begrüßen. Denn hier drinnen in der engen Stadt hat er ein gar häßliches Aussehen, rauchig und schmutzig, und er blickt dich an mit den Augen des Hungers. – Draußen aber lag der lachende Sonnenschein. War das der Winter? Er hat ja kein weißes Kleid an. Die Bäume recken ihre nackten Zweige kraus und zackig in den blauen Himmel hinein, und ihre Rinde schimmert rötlich, oder weiß, oder stahlgrau in der schwimmenden, flockigen Luft. Ah, die Luft! Das weitet die Brust – wie du mit einem tiefen Atemzug alle den Wald einhauchst, daß er die Stadt, die rauchige, schmutzige, in dir verzehrt! – Mein Fuß wühlt im langen, zottigen Gras. Wenn du nicht hinsiehst im Park, wo die glatten Wege sind, wo die feinen Karossen fahren, wo die Menschen auf ebenen Pfaden wandeln, dann meinst du im Wald zu sein – still ringsum, nur hohe Bäume, nur das Lispeln, das seltsame, traurige Lispeln in den nackten Zweigen, die ohne Blätter nicht rauschen und raunen können, wie sie im Sommer, im Herbst es thaten. Nur die Prärie vor dir, durch die sich das geschäftige Bächlein im Sonnenschein dahinschlängelt. Ein zaubrisch Bächlein – wie es lockt und winkt, eilig über die blanken, feuchten Steine kollert, und immer raunt und murmelt und erzählt – was es nur immer sagt? Ich klettere den Abhang hinunter, tiefgrün schimmert das Wasser von den bemoosten Steinen herauf. Einzelne ragen draus hervor, sie sehen mich lockend an – soll ich hinüber klettern auf den Springsteinen, zum andern Ufer des Bächleins, dorthin, wo stille, grüne Tannen stehen, wo es ganz einsam ist? – Da – mitten drin – du böser Nix, was hast du an dem Stein zu rütteln? Das hält ja so ein tappig Menschenkind nicht aus! Natürlich, da patsche ich mit den Füßen im Wasser – und nun schnell gesprungen, in den Sonnenschein, in das hohe Gras hinein, daß ich wieder trocken werde. Böser Bach mit deinem Nixen. – Aber was ist das? War es Zauberwasser, das mich berührt hat? – Der Wald ist lebendig geworden, die Bäume fangen an zu reden, ich verstehe, was die Vöglein zwitschern, die kleinen, grauen, die Waldvagabonden, die einzigen, die geblieben sind. Piep! sagen sie, uns ist's einerlei, ob die Blumen blühen und die Bäume Blätter haben. Dann bauen wir unser Nest in den kahlen Zweigen, und zwitschern von den zukünftigen Blüten, und die Nahrung – nun, die stehlen wir uns irgendwo – nur Freiheit, Freiheit wollen wir haben! – Au! sagt das Gras unter meinen Füßen, warum trittst du mich? – Ich bin nicht tot. Da, sieh' einmal her – Und wie ich dann die langen, zerzausten Haare vorsichtig zur Seite schiebe, da lugt frischer, grüner Klee schelmisch hervor. Der grüne, grüne Klee – Weißt du noch, grüner Klee, wie es war zur Sommerszeit?
Es war zur goldnen Sommerszeit,
Die Welt war groß und war so weit –
Und grüner, grüner Klee.
Der blühte still im Waldesthal
Wie Tropfen Blutes allzumal
Die Blüten stehn im Klee.
Und Falter spielen drüber hin.
Und wir? Wir lagern uns tiefdrin,
Im grünen, grünen Klee.