Wo hört' ich jüngst solch ein Spottdrossellied? – Weich und schwül – hohnlachend – – war's nicht in meinem Herzen? Ist's nicht das Menschenherz selber – in all seinem Leid, all seiner Sehnsucht, all seinem Haß? –
»Sputet Euch,« sagt der Frühling zu den Eichen und schlägt sie schmeichelnd mit seiner Weidengerte, »Ihr knorrigen Gesellen! Seid zwar auch so schön mit Euren kuriosen Knorpeln und verdrehten Aesten – gerade so knorpelig und verzwickt, wie ein Menschenhirn – aber wenn Ihr die zackigen Blätter von Euch spreizt, habe ich Euch noch lieber!«
Und da sproßten die roten Keime und Blättchen, und nun hatten sie ein noch wunderlicheres Ansehen, gerade wie ein Schalksnarr, dem die Liebe aus den Augen guckt. –
»Ich,« sagt die Ulme, »ich bin vorgeschritten in der Kultur – seht, mein krauses, grünes Gewand ist schon fix und fertig.« –
Und der Frühling geht weiter:
»Sieh', sieh', wie schön steht das maigrüne Kleidchen zu Deiner weißen Haut, kleine Birke, – bist fast die Schönste von allen! Alte Tanne« – er streicht über der Tanne stattliche Haare – »mußt immer dasselbe dunkle Kleid tragen jahraus, jahrein – bist wohl gar neidisch?«
Aber die Tanne ist unartig, sie streckt dem Frühling und seiner Birke eine lange, hellgrüne Zunge aus den dunkeln Nadeln heraus und antwortet noch nicht einmal vor Trotz.
»Böses, altes Ding Du,« schilt der Frühling, und um sie zu ärgern, gibt er den Lärchen lauter kleine hellgrüne Federbüsche, kleinen Pinseln gleich, die tragen sie stolz, wie ein angehender Maler seine Farbenpinsel in der Brusttasche. – Horch! Was regt sich hinter dem Tannendickicht? Ein hübsches, verstecktes Plätzchen – Taubengegirr, Vogelgesang – ist's Windessäuseln, rauschen die Zweige, geheimnis-ahnungsvoll! Leise schleicht sich der Frühling heran, er verbirgt sich hinter einem Baumstamm – er lauscht – er sieht – –
Menschenkinder sind's, zwei junge, lachende, kosende Menschenkinder, den ewigen Frühling, die Liebe, im Herzen, in den Augen. – Sie ruht im Gras, den Kopf gegen eine Tanne gelehnt, er zu ihren Füßen, den braunen Lockenkopf in ihrem Schoß – leises Lachen, halblautes Singen, abgebrochene, unverständliche Laute – halbgeflüsterte, halbgeküßte Liebesworte. – Glückliche, selige Menschenkinder – was wißt Ihr vom brennenden Sommer, vom welkenden Herbst, vom eisigen Winter? – Der Frühling streichelt Euch Stirn und Wangen. – Blondes Mädchen, Du streichst Dir die Löckchen aus der Stirn und schiltst über den Wind – oder den Geliebten, der Dir die Haare zerzaust hat – und der Sonnenstrahl küßt Euch und dringt Euch bis ins junge Herz hinein! –
Auf leisen, flüchtigen Sohlen eilt der Frühling von dannen:
»Jetzt muß ich aber auch die Obstbäume anlächeln,« sagt er im raschen Lauf, »daß sie treiben und blühen und Früchte tragen.« Aber die waren voreilig gewesen, wie gewöhnlich, hatten nicht auf das Lächeln des Frühlings gewartet, hatten sogar vergessen, sich erst die Blätter anzuziehen. – Da stehen sie in ihren schlohweißen Hemdchen und lächeln verschämt, ach, und Apfelbäume und Pfirsiche werden ganz rot, als sie den Frühling kommen sehen, und nur die Birne ruft triumphierend: »Ein paar grüne Blättchen habe ich schon – aber Du, Frühling, bist ja ganz nackt!« Hei, wie sie sich alle schütteln vor Lachen, daß ihr weicher, duftender Blütenschnee über die grüne Erde hinweht. – Ganz überschüttet wird der Frühling; in seinen Locken hängt die duftige Ueberfülle, um Stirn und Wangen schmeicheln die süßen Boten – da wird es ihm ganz weh ums Herz vor Wonne und Jubel, sehnsüchtig breitet er seine Arme der Geliebten entgegen, der leuchtenden Sonne – und da wird er zum Manne – er vermählt sich mit der Sonnenglut – und siehe, es war Sommer!