»Ich saz ûf eime steine,
und dahte bein mit beine:
dar ûf sazt ich den ellenbogen:
ich hete in mîne hant gesmogen
daz kinne und ein mîn wange,«
sagt Walter von der Vogelweide. So sitze ich im Gips-Museum und träume vor mich hin und lasse mir von Antinous verliebte Blicke zuwerfen.
O, Du Abbild erster, toller, süßer Liebe!
Erste Liebe – wo man liebt, ich möchte sagen, um zu lieben, um sein eigen Herz einmal pochen zu hören, um voll Seligkeit zu verzweifeln, und weinend zu jubeln – wo ein liebes Auge, eine schöne Gestalt, ein lustig-gutes Lachen, einem vollauf Grund genug zum Lieben scheint.
Später freilich, dann, meine ich, wenn die wahre, einzige, ewige Liebe über einen kommt, wenn man mit vollem Verstande, mit ganzer Ueberlegung, mit festem Willen liebt, dann – ja, dann verlangt man freilich mehr, wie Du, schöner Antinous, bieten kannst.
Sieh', der letzte, warme Sonnenstrahl hängt aufleuchtend, zögernd an seinem holden Antlitze.
Er lächelt. – –
Der Faun da hinter ihm guckt schelmisch um die Ecke: »Reizender Bengel! Nicht wahr?« grinst er vergnügt, und die zwölf Apostel am Sarge des heiligen Sebald schüttelten vorwurfsvoll ihre bärtigen Häupter. Warum, o meine hochverehrten Herren, begaben Sie sich auch in diese heidnisch-vergnügte Gesellschaft? Wird es Ihnen nicht ganz sonderbar zu Mute?
Es geht ein wunderlich Flüstern durch den Saal und ein Beben durch die nackten, weißen Götter-Menschenleiber. Mir schwimmt es vor den Augen und mein Herz klopft. Soll ich fliehen? Schnell zur Türe!
Ah, die ist geschlossen! Sie haben mich vergessen in meiner Ecke hinter den zwölf Aposteln, und ich bin allein im ganzen Haus – allein, und doch in der allerbesten Gesellschaft. Mir ahnt, jetzt wird sich etwas begeben, etwas wunderlich Liebliches, himmlisch Schönes. Ein seltsames Leben und Weben zittert in der ganzen Luft, und ich verstecke mich still und neugierig und warte – worauf? Ich weiß es selber nicht.
Doch – was ist das? Träume ich? Wache ich? Ein zitternder Laut, halb Seufzer, halb Jubel. – Woher kommt er? Aus den Herzen der toten Gestalten? – Sieh' – sie leben! Sie heben die Arme, sie bewegen sich – das Blut rinnt durch die Adern, sie atmen, und doch sind's keine Menschen. Denn durchsichtig werden die Glieder von Gips, sie schimmern und glänzen, geisterhaft, geheimnisvoll – das ist Ewigkeit, die von den weißen Stirnen leuchtet, und sieghaft strahlen die klaren Augen. – Ach, und demütig beuge ich mein Knie.