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Geschichten aus einer andern Welt:Der kleine Finger der Venus von Medici.-5

时间:2024-01-11来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Geschichten aus einer andern Welt

»O, aber hier, wie schrecklich – sie bücken sich tief zur Erde, damit andere auf ihre Rücken treten können und weiter schreiten dort hinauf, wo es so glitzert und gleißt wie von Prunk und Geschmeide. – Und dort läßt sich einer schlagen – ach, geduldig und wehrt sich nicht!«

 

»Liebes Kind,« sagt der Gesell, »die sind aus dem Land, wo die Bedienten gut geraten.«

 

»Lieber Gesell – o siehst Du den Mann dort in der Ferne – mit bleichen Lippen, mit rollenden Augen? Siehst Du, wie er mordet und zittert und flucht und betet, wie er angstvoll sich windet –«

 

»Liebes Kind – der sitzt auf einem Thron, der wackelt hin und her, und er trägt den Wahnsinn als Krone und als Scepter eine blutrote Brandfackel – wenn er die von sich schleudert, dann bebt die Erde von Kanonendonner und Menschengestöhn – und ›Väterchen‹ nennt sich der Mann, liebes Sonntagskind.«

 

»Ach, mein Geselle, wo wollen die vielen Menschen hin, die dort mit den feinen, kostbaren Kleidern angethan, die ein mit Silber beschlagenes Buch und einen Geldbeutel in den Händen tragen, die, mit den frommen, ergebenen Gesichtern –«

 

»In die Kirche, Du dummes Sonntagskind, auf daß der Prediger ihnen in tönenden, salbungsvollen Worten die Angst vom Herzen rede. Dann thun sie, als ob sie's glauben, was er sagt, und gehen neugestärkt nach Hause und – leben weiter.«

 

»Und siehst Du jene Schar dort, mein Geselle, Ballettänzer scheinen sie zu sein. Hei! was sie für Sprünge machen! – Schau, die wunderlichen Gesten, und wie elegant sie zu posieren verstehen – dem Publikum eine rechte Augenweide. Aber doch – ich glaube sie thun nur so, es ist ihnen nicht wohl ums Herz – sie schauen bleich aus, trotz Schminke und Puder. – Sag, mir, was sind's für Leute?«

 

»Liebes Kind – Litteraten sind's, moderne aus dem neunzehnten Jahrhundert, und die barocken Sprünge und eleganten Posen machen sie aus Angst, um sich und das Publikum d'rüber hinwegzutäuschen.«

 

»Und, mein Geselle, sieh' den Mann dort hinter dem Ofen, in Schlafrock und Pantoffeln, mit langer Pfeife und dem Bierseidel in der Hand. – Recht unzufrieden scheint er mir zu sein, er rückt unruhig hin und her – horch! er schilt und gebraucht böse Worte.«

 

»Ja, liebes Kind – das Bier schmeckt nicht, und die Kartoffeln sind mißraten, und die Pfeife qualmt und durch die Schlafrockärmel pfeift der Wind, und die Pantoffeln sind unbequem. Da hadert er mit seinem langmütigen Herrgott im Himmel droben, mit dem Brauersknecht, dem Nigger, dem Schuster und am meisten mit seiner lieben Frau – und es ist doch nur die Angst, die ihn in seiner eigenen Haut sich nicht wohl fühlen läßt. – Ja, und ›Philister‹ nennt man den Mann, liebes Sonntagskind.« 
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