Andere Völker：Rotkäppchen und der kleine Geist

Rotkäppchen hatte sich am frühen Morgen auf den weiten Weg durch den Wald zur Großmutter gemacht. In den Händen hielt sie einen großen Korb, der mit gutem Wein und frisch gebackenem Kuchen gefüllt war. Damit wollte sie ihr einen schönen Tag machen.

Schon nach wenigen hundert Metern rückten die Bäume näher zusammen. Immer enger standen sie beieinander und ließen immer weniger Licht durch die dichten Kronen herab scheinen.

Rotkäppchen, ging den Weg nur ungern allein, sah sich immer wieder ängstlich um. Hinter jedem Busch konnte eine Gefahr auf sie warten. Von einem Wegelagerer über einen gemeinen Dieb bis zu einem gefräßigen Wolf konnte sich alles hier verstecken. Doch mit dem, was an diesem Tag im Dickicht unterwegs war, hatte das Kind nicht gerechnet.

Rotkäppchen hörte ein zuerst ein leises Säuseln des Windes, das langsam lauter wurde und das irgendwann nicht mehr natürlich klang. Irgendetwas tat sich hier.

Sie stellte den Korb ab und sah sich unsicher um. Wer oder was war in ihrer Nähe?

Plötzlich raschelte es neben ihr. Durch den Busch kam ein weißer Schemen hervor, der sich als ein kleiner Geist entpuppte.

Rotkäppchen schrie laut auf und lief los. Mit Geistern war nicht zu spaßen. Die hielt sie für noch gefährlicher als den großen bösen Wolf. Immer wieder drehte sie sich um. Der Geist folgte ihr.

Sie schrie ein weiteres Mal, versuchte ihrem Häscher zu entkommen, aber der holte stattdessen sogar auf. Wenn es so weiter ging, würde er das Mädchen in wenigen Sekunden eingeholt haben.

Hinter der nächsten Kurve wurde der Wald lichter, die Bäume hielten mehr Abstand voneinander. Das Haus der Großmutter kam in Sicht. Nur noch wenige Meter trennten Rotkäppchen von einem sicheren Unterschlupf.

Doch da packte sie der Geist an der linken Schulter und hielt sie fest.

»Hilfe!«, rief Rotkäppchen in ihrer Panik. »Töte mich nicht. Ich bin nur ein armes, kleines Mädchen, dass der Großmutter Wein und frischen Kuchen bringen soll.«

Der kleine Geist seufzte laut. »Wein. Frischer Kuchen. Lecker. Wie lange habe ich solch Gaumenschmaus schon nicht mehr schmecken dürfen? Es ist zu lange her.«

Er ließ Rotkäppchen los, streckte ihr den Arm hin und gab ihr den Korb. »Den hast du im Wald vergessen. Ich wollte ihn dir nur hinterher bringen, damit du nicht mit leeren Händen zur Großmutter gehst.«

Rotkäppchen wurde rot im Gesicht und grinste verlegen. »Vielen Dank. Das war sehr nett von dir.«