In der Stadt Landshut in Schlesien lebte ein Schneidermeister, namens Samuel Meckerling. Sein Name war weit über das Weichbild der Stadt hinaus bekannt, denn er galt für einen der geschicktesten Meister weit und breit und es kam nicht selten vor, daß Edelleute, hohe Beamte und Gelehrte in seinem Hause abstiegen und die Anfertigung ihrer Kleider bestellten. Einen Fehler aber besaß der geschäftige Meister. Er pflegte von den kostbaren Stoffen, aus welchen er die Kleider zuschnitt und anfertigte, immer einige Stücken in die „Hölle“ wandern zu lassen, das heißt für sich zu verwerten. Auch kam es wiederholt vor, daß er gröbere Stoffe an Stelle der ihm übergebenen feineren verarbeitete.
Einst hielt ein herrschaftliches Geschirr vor seinem Hause und diesem entstieg ein vornehmer Herr. Meckerling sprang von seinem Schneidertisch, ging vor die Tür und begrüßte mit tiefer Verbeugung den Fremden.
„Was verschafft mir, gnädiger Herr, die Ehre Eures Besuches?“ redete er ihn mit gewandten Worten an.
„Ich wünsche von Euch innerhalb drei Tagen von diesem Tuche einen Rock angefertigt zu haben. Gebt Euch rechte Mühe; er soll mein Staatsrock werden und es wird für Euch kein Schaden sein, wenn das Werk den Meister lobt.“
Meister Meckerling betrachtete mit Wohlgefallen den kostbaren Stoff und machte sich daran, an der Gestalt des Fremden Maß zu nehmen. Da wiegte er seinen Kopf wie bedenklich hin und her und sagte:
„Der Stoff wird nicht reichen, gnädiger Herr, aus solchem kurzen Stück kann ich den Rock, wie Ihr ihn wünscht, nicht anfertigen. Es fehlen noch fast zwei Ellen.“
Der Fremde aber, welcher wußte, daß er zwei Ellen zu viel beim Tuchhändler gekauft hatte, antwortete nicht, sondern ging aus dem Hause. Als ihm Meckerling das Geleit gab, verabschiedete er sich mit den kurzen Worten: „In drei Tagen also wird mein Diener den fertigen Rock von Euch abholen.“
So geschah es. Ein reichbetreßter Diener erschien, nahm den Rock in Empfang und bezahlte die Rechnung.
Meckerling lachte sich ins Fäustchen, als er die blanken Taler einstrich.
„Das war ein feines Geschäft,“ murmelte er vor sich hin, „einen honetten Kunden mehr, eine reichliche Bezahlung und obendrein noch zwei Ellen des kostbaren Stoffes für die ‚Hölle‘.“
Es war Sommer geworden und Meister Meckerling beschloß, drüben im Böhmerlande seinen Bruder zu besuchen. Für die Schneiderei ist der Sommer die stillste Zeit, darum war es ihm möglich, einen Ausflug zu unternehmen.
Frisch und fröhlich ging er seinen Weg über das Gebirge. Da stand plötzlich an einer engen Stelle der Straße ein Reiter vor ihm, der ihn am Weitergehen hinderte. Von Kopf bis zu den Füßen war er feuerrot gekleidet und auf seinem Hute prangte eine lange rote Feder. Sein Reittier bestand in einem riesigen schwarzen Ziegenbock mit zwei gewaltigen Hörnern.
„Nun, ehrsamer Meister Meckerling, das trifft sich ja herrlich,“ schrie der Rote, in welchem jener mit Schrecken seinen Kunden, den Edelmann, erkannte. „Liegen denn noch die zwei Ellen gestohlenen Stoffes von meinem Rock in Eurer Hölle? Ihr werdet mir gewiß davon mancherlei zu erzählen haben. Also kommt, schwingt Euch auf meinen Ziegenbock, ich habe wenig Zeit.“
Da fiel der Schneider in die Knie und hob flehentlich seine Hände auf. „Ach Herr,“ jammerte er, „macht keinen Ernst mit Euren Worten. Ich will Euch alles gern wieder ersetzen, was ich veruntreut habe.“
„Aufsitzen!“ befahl wütend der Reiter, der kein anderer als Rübezahl war, „oder ich schleudere dich den Abgrund hinunter, daß du kein Glied mehr fühlst.“
Da faßte Meckerling in seiner Angst in das zottige Fell des Bockes, um sich auf seinen Rücken zu schwingen. Aber in demselben Augenblick erhob sich das Tier und nun schwebte der dürre Schneider angsterfüllt zwischen Himmel und Erde und flog sausend durch die Luft. Mit einem steinerweichenden Schrei bat er flehentlich den lachenden Reiter, ihn wieder zur Erde zu befördern.
Endlich setzte ihn der Bock ab. Aber es war finster geworden und der arme Tropf befand sich in einer wildfremden Gegend. Über Stock und Stein, durch Dornen und Dickicht, durch Moor und Sumpf stapfte er dahin, bis er endlich erschöpft auf der breiten Fahrstraße anlangte. Mit zerrissenen Kleidern, ermatteten Gliedern und gedemütigtem Herzen traf er endlich wieder in seiner Behausung ein.
Der Lustritt aber hatte den Schneider geheilt. Nun wurde er ehrlich und legte vor seiner Hölle für alle Zeiten ein Schloß. Das wurde allenthalben bekannt und Meister Meckerling ein wohlhabender Mann.