Da waren einmal recht arme Holzhackerleute. Die hatten ein einziges Kind, ein Mädchen, und das hieß Katherl 1.). Die Stiefmutter konnte das arme Dirndlein nicht leiden; wo sie ihm Schlimmes antun konnte, geschah es. Immer und immer sagte sie dem Vater, er solle ihr erlauben, daß sie das Katherl in den Wald führe und dort allein lasse; und immer sagte der Vater "Nein!" Aber einmal war die Not so groß, daß er sich nicht anders zu helfen wußte, und er sagte "Ja!"
Gleich des anderen Morgens nahm die Stiefmutter das Katherl bei der Hand und ging mit ihm fort, weit in den Wald hinein; und als sie schon so weit waren, daß das Dirndlein gewiß nicht mehr nach Hause finden konnte, zündete die Stiefmutter ein Feuer an, gab dem Kinde ein Stücklein Brot und sagte: "Ich komm' gleich wieder, ich geh' nur Holz suchen."
So saß das Katherl beim Feuer, aß sein Stücklein Brot und legte dann und wann einen dürren Ast nach, daß das Feuer nicht ausging. So wurde es Abend, und die Stiefmutter kam nicht; es brach die Nacht herein, und wenn das Dirndlein "Mutter" rief, kam keine Antwort.
Da wollte es sie suchen, lief im Walde kreuz und quer und weinte und rief, daß ihm schon das Hälslein weh tat; aber es war alles umsonst, es kam nur immer tiefer und tiefer in den Wald hinein. Als es aber schon so müde war, daß es seine Füßlein nicht mehr tragen wollten und es schier ganz verzagte, da sah es von weitem ein Flämmchen.
"Ob es doch ein Lichtlein sei", meinte das verzagte Kind und lief ihm zu, so schnell es konnte; und es war eins.
Ein kleinwinziges Häuserl stand da, und darin brannte das Lichtlein. Das Dirndlein klopfte an, da kam ein altes, altes Weiberl heraus und fragte gleich: "Ja, Kind, woher kommst denn du noch?"
Da erzählte das arme Katherl, was ihm zugestoßen sei, und als es damit fertig war, nahm es das alte Weiberl gleich hinein ins Stübchen, gab ihm zu essen und zu trinken und war recht lieb mit ihm. Aber so gut es auch aufgehoben war, es ließ dem Dirndlein keine Ruhe, und da sagte es: "Ich möcht' doch wieder zu Vater und Mutter."
"Schau, du weißt, wie bös deine Mutter ist; willst du nicht bei mir bleiben?" meinte das alte Weiberl. Aber das Kind bat immer von neuem, daß es wieder heim dürfe zu Vater und Mutter, und so sagte denn das alte Weiberl zuletzt:
"Ich will dich wieder heimbringen, aber du darfst niemand sagen, daß du bei mir gewesen bist, denn ich bin das Arme-Seelen-Weiberl. Tätest du es aber trotzdem sagen, dann käm' ich wieder um dich."
Das arme Dirndlein versprach es, und so führte das Arme-Seelen-Weiberl noch in der finsteren Nacht und heimlich das Kind nach Hause, legte es in sein gewohntes Bettlein und ging wieder fort.
In der Frühe, als sie aufgewacht waren, sagte die Stiefmutter gleich zum Vater: "Wie gut ist es, daß das Kind nimmer da ist." Sie ging hinab in die Kammer, nun lag das Katherl wieder im Bett und schlief wie sonst; da riß sie es aber heraus und fragte voll Zorn: "Wer hat dich heimgeweist?" 2.) Das Kind sagte: "Ich bin allein nach Hause gegangen." Aber als es die Stiefmutter nicht glaubte, von neuem fragte und immer zorniger wurde, fing das arme Dirndlein an, sich zu fürchten; endlich sagte es, bei wem es gewesen und wer es heimgeführt habe. Da war die Stiefmutter auf einmal seltsam freundlich, wie noch niemals zuvor und blieb es den ganzen Tag.
Des Abends ging das Dirndlein wieder schlafen, und als es mäuschenstill und überfroh im Bettlein lag, da pochte es an der Tür und sprach:
"Katherl, Katherl, i bi[n] schon bei da Tür!" Dann trat es ans Bettlein: "Katherl, Katherl, iatzt 3.) bi[n] i bei da Bettstatt!"
Es faßte sein rechtes Händlein und sagte: "Katherl, i bi[n] bei da rechten Hand!"
Es faßte auch sein linkes Händlein: "Katherl, i bi[n] bei da linken Hand!"
Da lag eine Hand auf des Dirndleins Kopf: "Katherl, i bi[n] schon beim Kopf!"
Und zuletzt: "Katherl, Katherl, i hab di[ch] schon!"
Da war es richtig das Arme-Seelen-Weiberl, und so ist es um das Katherl gekommen und hat sich's wirklich geholt.
1.) Katharina.
2.) heimgeführt
3.) jetzt