Im weiten Felde stand einmal ein uralter Baum, der, weil er so wunderprächtig gewachsen war, die stolze Föhre hieß. Im Stamme dieses Nadelbaumes hauste vorzeiten eine gütige Fee, die saß eine Zeitlang Tag ein, Tag aus, in ein steinaltes häßliches Weib verwandelt, bettelnd vor ihrer Wohnung und erforschte die Gemüter aller, die an ihr vorüberkamen. Natürlich vermochte niemand in der Bettlerin die wunderschöne Fee zu erkennen.
Nun lebte im nächsten Dorf ein reicher Bauer, der ein abscheulicher Geizhals war. Der ging jeden Morgen mit seiner Dienstmagd, einer blutarmen Waise, an der Frau vorbei, um sein Feld zu bestellen. Das mitleidige Dirnlein konnte es nicht seinlassen, mit der Bettlerin täglich das karge Frühstücksbrot zu teilen.
Als der filzige Bauer das merkte, schnitt er das Brot allemal kleiner und kleiner, und weil die gute Magd doch noch immer teilte, gab er ihr zuletzt gar nichts mehr. Jetzt weinte das Dirnlein, wenn es an der Föhre vorbeikam, weil es nichts mehr zu teilen hatte. Aber viele Arbeitsleute, die hinter ihnen nachgingen, fanden oft die schönsten Perlen auf dem Wege.
So standen die Sachen, als unser Bauer im Nachbardorfe zu einem großen Hochzeitsfeste eingeladen war. Selbstverständlich unterließ er es nicht zu kommen, und weil's auf andrer Leute Unkosten ging, war er bemüht, wacker zu essen und zu trinken, und machte sich erst gegen zwölf Uhr nachts auf den Heimweg. Wie er aber in die Nähe der stolzen Föhre kam, schien es ihm, als hätte er den Weg verfehlt; denn an Stelle des Baumes sah er ein herrlich beleuchtetes Schloß, aus dem Kirchtagsmusik erscholl, und dazu hörte er ein Räuscheln und Zischeln wie beim Tanz.
"Holla!" dachte sich der frohgemute Bauer, "die Fee gibt heute einen Hausball, da muß ich wohl auch dabeisein" - und ging dreist ins Schloß hinein. Ei mein, aber was sah er da? Da drinnen saß just eine Unmenge kleinwinziger Zwerge um die schöne Fee herum bei einem leckeren Schmaus, und die Fee war so gut und lud den Bauer dazu ein. Der ließ sich nicht lange nötigen, sondern gebrauchte eifrig sein Mundwerk und steckte heimlich so viel von den Leckerbissen in seine weiten Taschen ein, daß sie standen wie Mühlsäcke.
Als das Mahl beendet war, ging die Fee mit den Zwergen in den Tanzsaal; der Bauer aber beurlaubte sich, denn er war, doppelt angepackt, kein Freund vom Tanzen und torkelte gleich heim, damit die Seinigen das wegstibitzte Bescheidessen von der Feentafel noch frisch und warm bewundern könnten.
Daheim erzählte er seinen Leuten das Erlebnis mit der Fee und zog die leckere Beute aus den Taschen, aber - pfui Teufel! - die feinen Bissen hatten sich in lauter stinkenden Pferdemist umgewandelt, und der Bauer wurde weidlich ausgelacht.
Der nach Verdienst bestrafte Bauer, der vor Ärger fast zersprungen wäre, warf den ganzen Unrat seiner barmherzigen Dienstmagd ins Fürtuch und höhnte sie: "Da hast du alles, kannst es meinetwegen morgen mit dem Bettelweib am Föhrenstamme teilen."
Die Magd ging hinaus, um die Schürze in die Mistgrube auszuleeren, aber - schau, schau! - auf einmal tat es im Fürtuch so eigen klingeln und klirren und flimmern und flammen, und wie sie es ausbreitete - ei der Tausend! -, lag eine Menge nagelneuer Dukaten darin.
Außer sich vor Freude eilte die Magd, weil es just zu tagen begann, zu der guten Fee an der stolzen Föhre, um der zu danken, die, wie es sonnenklar schien, nur ihr allein den Schatz hatte zukommen lassen wollen.
Das erste aber, was die Magd dort erblickte, war halt wieder das häßliche Weib, und das gutherzige Dirnlein konnte sich nicht zurückhalten, der Alten die Hälfte des Schatzes zu schenken.
Durch solche Herzensgüte gerührt, zeigte sich die Fee nun in ihrer wahren Gestalt, überschüttete das brave Mädchen mit Reichtum und Klugheit und Schönheit, und es stand nicht ein Vierteljahr an, da kam ein mächtiger Fürst, der erwählte die Gute zu seiner Ehefrau.