Eine Viertelstunde von Saalfelden im Pongau *) erhebt sich auf mäßiger Höhe Schloß Dorfheim, mit Ringmauern und Ecktürmen wohl versehen. Vordem hieß es: der Turm zu Dorf und gehörte den Rittern von Hund, von deren Entstehen die Sage also Nachricht gibt.
Es wohnte vor uralten Zeiten hier ein mächtiger Gauherr, Isenbart geheißen, der hatte ein schönes, doch stolzes Weib, Frau Irmentritt. Einst zog er auf einen Strauß von dannen und ließ Irmentritt, welche sich gesegneten Leibes befand, in seiner festen Burg zurück. Die Herrin erging sich lustwandelnd vor ihrem Schlosse, da trat eine Bettlerin, welche Zwillinge geboren hatte, mit diesen kleinen Kinderlein vor sie hin und bat flehentlich um ein Almosen. Frau Irmentritt aber weigerte nicht nur die Gabe, sondern schalt auch heftig das arme Weib, indem sie sagte: "Nimmer ist es möglich, daß du von einem Manne diese Kinder empfangen! Du bist eine treulose Ehebrecherin! Hebe dich von dannen!"
Da wurde das schwer beleidigte Bettelweib zornig und rief: "Strafe dich Gott, daß du statt zweier zwölf Kinder zugleich genesest, auf das du einsehest, wie ohne Sünde ein Weib von einem Manne durch Gottes Verhängnis mehrerer Kinder Mutter werden kann!"
Schleunig entfernte sich die Bettlerin, und bald darauf fühlte Frau Irmentritt ihre Stunde herannahen und gebar zu ihrem unaussprechlichen Schreck und Jammer zwölf Kinder auf einmal. Da sie sich auf ähnliche strenge Weise, wie gegen die Bettlerin, früher auch gegen ihren Gemahl geäußert, so fürchtete sie dessen ganzen Zorn und gebot in ihrer Angst der Magd, elfe der Kinder in einen Korb zu legen und zu ertränken. Sollte etwa der Ritter ihr auf dem Gange zum Wasser begegnen, so solle sie ihm sagen, sie trüge kleine, eben erst geworfene Hündlein zum Fluß.
Wirklich begegnete der Graf der Magd, fragte sie und sah sie erröten und zagen, als sie ihm die befohlene Antwort stammelte; daher riß er den Deckel des Korbes auf und erblickte mit Schaudern elf kleine nackte Knäblein. Die Magd fiel ihm zu Füßen und erzählte den Hergang. Er legte ihr Schweigen auf und brachte die Kinder in das entlegene Haus eines seiner Untertanen, dessen Frau er sie zum Aufziehen übergab; daheim ließ sich der Ritter nichts merken.
Es vergingen Jahre, und der zurückbehaltene Knabe wuchs und blühte kräftig auf, nicht minder auch seine Brüder. Wie nun diese Knaben zwölf Jahre alt waren, veranstaltete der Gauherr ein Gastmahl, zu dem er viele seiner Freunde und Vasallen einlud und auch heimlich die elf Knaben beschied, welche er ganz gleich mit dem zwölften kleiden ließ. Beim Mahle, an welchem Irmentritt teilnahm als Herrin der Burg, warf Isenbart gesprächsweise die Frage auf: "Welche Strafe gebührt einer Mutter, die eines oder mehrere ihrer Kinder ermordet?"
Darauf sprach Irmentritt, zwar innerlich erbebend, aber doch in stolzer Sicherheit: „Die fürchterlichste Strafe, man muß die Kindesmörderin lebendig verbrennen!"
Ein Wink des Grafen, und ein anstoßendes Zimmer öffnet sich, und herein treten elf Knaben, alle dem zwölften, der mit am Tische sitzt, ganz ähnlich. Schreck fällt, wie der Donner Gottes, auf Irmentritt, und entseelt stürzt sie vom Sessel.
Die so wunderbar geborenen und vom Tode geretteten Knaben nannte man hinfort die Hunde und später die Herren von Hund. Sie blühten fort in zahlreich verzweigten Geschlechtern. Ein Saal im Schlosse Dorfheim zeigt noch in einem Gemälde die Sage ihrer Abkunft. Ein anderes Bild stellt dar einen tapferen Ritter, Hans Hund, wie er im Jahre 1392 mit Jacob Kainspieß zu Hall im Inntal kämpfte und den Besiegten in Fesseln legte.