Liebe Bettine! Deine Briefe machen mir Freude, und die Jungfer Lieschen, die sie schon an der Adresse erkennt, sagt: »Fr. Rat, da bringt der Briefträger ein Pläsier.« – Sei aber nicht gar zu toll mit meinem Sohn, alles muß in seiner Ordnung bleiben. Das braune Zimmer ist neu tapeziert mit der Tapete, die Du ausgesucht hast, die Farbe mischt sich besonders schön mit dem Morgenrot, das überm Katharinenturm heraufsteigt und mir bis in die Stube scheint. Gestern sah unsre Stadt recht wie ein Feiertag aus in dem unbefleckten Licht der Alba.
Sonst ist noch alles auf dem alten Fleck. Um Deinen Schemmel habe keine Not, die Liese leidet's nicht, daß jemand drauf sitzt.
Schreib recht viel, und wenn's alle Täg' wär', Deiner wohlgeneigten Freundin Goethe.
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Schlangenbad.
Frau Rat! Wir sind gestern auf Müllereseln geritten, weit ins Land hinaus über Rauenthal hinweg. Da geht's durch bewaldete Felswege, links die Aussicht in die Talschlucht und rechts die waldige emporsteigende Felswand. Da haben mich dann die Erdbeeren sehr verlockt, daß ich schier um meinen Posten gekommen wär', denn mein Esel ist der Leitesel. Weil ich aber immer Halt machte, um die Erdbeeren zu pflücken, so drängte die ganze Gesellschaft auf mich ein, und ich mußte tausend rote Beeren am Wege stehen lassen. Heute sind's acht Tage, aber ich schmachte noch danach, die gespeisten sind vergessen, die ungepflückten brennen mich noch auf der Seele. Eben drum würde ich's ewig bereuen, wenn ich versäumte, was ich das Recht habe zu genießen, und da braucht Sie nicht zu fürchten, daß ich die Ordnung umstoße. Ich häng' mich nicht wie Blei an meinen Schatz, ich bin wie der Mond, der ihm ins Zimmer scheint, wenn die geputzten Leute da sind und die vielen Lichter angezünd't, dann wird er wenig bemerkt, wenn die aber weg sind und das Geräusch ist vorüber, dann hat die Seele um so größere Sehnsucht, sein Licht zu trinken. So wird auch er sich zu mir wenden und meiner gedenken, wenn er allein ist. – Ich bin erzürnt über alle Menschen, die mit ihm zu tun haben, doch ist mir keiner gefährlich bei ihm, aber das geht Sie alles nichts an. Ich werde doch nicht die Mutter fürchten sollen, wenn ich den Sohn lieb hab'? –