Abschied von der Kolonie. – Kämpfe zur See. – Freitags Tod. – Brasilien. – Sturm am Kaplande. – Verschlagen ins Eismeer. – Das »Venedig des Eismeeres«. – Gefangen im Eise. – Durchbruch. – Der verlassene Matrose. – Ein »Robinson« auf einer schwimmenden Eisscholle. – Irrfahrten. – Das Gespensterschiff. – Zusammenstoß mit den Kochinchinesen. – In China und Sibirien. – Rückkehr nach England. – Endliche Ruhe.
Die letzten Verhaltungsmaßregeln waren angeordnet, und als ich Abschied nahm, begleiteten mich die Kolonisten, die mich wie ihren Vater und Wohlthäter verehrten, bis hin zur Bucht. Sobald das Schiff das offene Meer gewonnen hatte, sagten wir der Insel mit fünf Kanonenschüssen lebewohl und richteten unsern Lauf nach der Allerheiligenbai, die wir nach drei Wochen erreichten. Unterwegs hatten wir aber noch ein verhängnisvolles Abenteuer zu bestehen, das mir einen großen, unersetzlichen Verlust brachte. Am dritten Abend nach unsrer Abfahrt bemerkten wir bei voller Windstille, wie sich an einer fernen Küste dunkle Punkte lebhaft hin und her bewegten. Der Hochbootsmann stieg mit dem Fernrohr auf den Fockmast und berichtete, es sei eine ganze Flotte Wilder, und er schätzte die Zahl ihrer Kanoes auf mehr als hundert. Wir mußten uns also jedenfalls auf einen blutigen Kampf gefaßt machen, zu welchem ich die Schiffsmannschaft nach Kräften ermutigte. Ich ließ die beiden Schaluppen flott machen und mit hinreichender Mannschaft besetzen. Die inzwischen näher kommende Flottille der Wilden bestand aus etwa 130 Kähnen, jeder durchschnittlich mit einem Dutzend Bewaffneter bemannt. Fünf oder sechs dieser Kanoes kamen uns fast bis auf Wurfweite nahe, und unsre Leute, die eine Umzingelung besorgten, gaben deshalb mit der Hand ein Zeichen, daß sich die Wilden entfernen möchten. Diese verstanden es recht wohl, schossen aber zahlreiche Pfeile auf uns ab und verwundeten einen unsrer Matrosen. Trotzdem hielt ich immer noch meine Leute vom Feuern zurück und ließ einige Planken in die Schaluppe hinabgleiten; aus diesen bildete der Zimmermann eine Art Wall, hinter welchem unsre Mannschaft vor den Pfeilen der Wilden geschützt war. Jetzt ruderte aber der ganze Schwarm heran und fiel uns in den Rücken. Da erkannte ich in den Angreifern alte Bekannte, mit denen ich schon auf der Insel zu thun gehabt hatte. Ich befahl, die Kanonen bereit zu halten, und schickte Freitag aufs Deck, um die Fremdlinge zu fragen, was sie begehrten. Sie antworteten mit einem Hagel von Pfeilen und ach! – Freitag, völlig ungeschützt dastehend – – stürzte von zwei Pfeilen durchbohrt nieder. – – Noch ein Blick aus seinen liebevoll ergebenen Augen, als ich vor ihn trat, und – – er verschied.
Der herbe Schmerz über den Verlust meines alten, treuen Gefährten verdrängte jedes Erbarmen aus meiner Brust. In heftigem Zorn ließ ich fünf Kanonen mit Kartätschen und vier mit Kugeln laden und in den dichten Schwarm der Boote hineinfeuern. Das war eine Salve, wie die Wilden in ihrem Leben keine ähnliche empfangen hatten: eine Menge Barken wurden teils zertrümmert, teils in den Grund gebohrt; alles, was noch ein Ruder in den Händen fühlte, arbeitete aus Leibeskräften, um diesem mörderischen Empfang zu entrinnen. Bald war die wilde Sippschaft unsern Blicken entflohen, aber auf dem Wasser schwammen in großer Zahl unter Trümmern und Balken tote, verwundete und verletzte Indianer umher. Der Sieg indessen war allzu teuer erkauft. Der Verlust meines treuen Freitag ließ sich nicht überwinden; tiefe Schwermut bemächtigte sich seitdem meines Gemüts; kaum daß Wilm mich etwas aufzuheitern vermochte.
Am Abend jenes verhängnisvollen Trauertages setzte der Wind um, eine frische Brise kräuselte den Spiegel des Meeres, über welchem vorher die Windstille mit ihren bleiernen Flügeln gehangen hatte – und weiter ging die Fahrt nach Brasilien ohne Hindernisse und Gefahren.
Am 18. Tage nach dem geschilderten Gefechte mit den Wilden ankerten wir, nachdem wir drei Tage vorher das Kap St. Augustin umschifft hatten, in der Allerheiligenbucht. Es gelang mir, meinen ehemaligen Gesellschafter aufzufinden, mit welchem ich verschiedene Geschenke austauschte. Derselbe gewährte mir auch seine Hilfe bei Ausrüstung einer Schaluppe, durch welche ich meiner Kolonie eine Zufuhr an Leuten und Gebrauchsgegenständen zukommen lassen wollte. Den nützlichen Dingen, welche ich meinen Kolonisten zuwandte, ließ ich drei Milchkühe und fünf Kälber hinzufügen sowie einige zwanzig Schweine und drei Pferde. Auch bewog ich, gemäß eines den Spaniern gegebenen Versprechens, noch drei Portugiesinnen, sich nach der Insel zu begeben. Das Boot, hinlänglich bemannt, ging nun unter Segel und kam auch glücklich auf meinem Eilande an, von der Einwohnerschaft mit Jubel begrüßt. Durch die neuen Ankömmlinge wuchs die Kolonie bis auf die stattliche Anzahl von ziemlich 70 Köpfen an, die Kinder nicht mit eingerechnet.