Gegen Ende Februar, da schöne Tage schon die Freuden des Frühlings verhießen, frühstückten Pauline und Raphael eines Morgens zusammen in einem kleinen Gewächshaus, einer Art Salon voller Blumen, von dem aus man unmittelbar in den Garten gelangte. Die milde, blasse Wintersonne, deren Strahlen durch seltene Sträucher brachen, erwärmte bereits die Luft. Die Augen wurden durch die kräftigen Gegensätze des verschiedenen Laubwerks, durch die Farben der blühenden Blumenbüschel und durch die Spiele von Licht und Schatten erquickt. Während sich noch ganz Paris am tristen Kaminfeuer wärmte, lachten die beiden jungen Liebenden schon vergnügt unter einer Laube von Kamelien, Flieder und Erika. Ihre fröhlichen Gesichter tauchten aus Narzissen, Maiglöckchen und bengalischen Rosen hervor. In diesem üppigen und reichen Gewächshaus schritten die Füße auf einer afrikanischen Matte, bunt wie ein Teppich. Die mit festem grünen Stoff bespannten Wände ließen keinerlei Feuchtigkeit durch. Die Möbel waren allem Anschein nach aus rohem Holz gefertigt, dessen geglättete Rinde jedoch vor Sauberkeit glänzte. Ein junges Kätzchen hockte, vom Duft der Milch angelockt, auf dem Tisch und ließ sich von Pauline mit Kaffee besprenkeln; Pauline neckte es, zog ihm die Sahne weg, an der es gerade mal schnuppern durfte, um es in Geduld zu üben und das mutwillige Spiel fortzusetzen; sie brach bei jedem seiner possierlichen Bewegungen in Lachen aus und verfiel auf tausenderlei Scherze, um Raphael am Lesen der Zeitung zu hindern, die ihm wohl schon zehnmal aus den Händen gefallen war. Es lag in dieser Morgenszene eine Fülle unaussprechlichen Glücks, wie in allem, was natürlich und wahr ist. Raphael tat immer so, als läse er sein Blatt, beobachtete indes verstohlen Pauline bei ihren Neckereien mit der Katze, seine Pauline, in einen langen Morgenmantel gehüllt, der sie seinen Blicken nicht völlig verbarg, seine Pauline mit ihrem noch ungeordneten Haar und dem kleinen weißen, blaugeäderten Fuß, der in einem schwarzen Samtpantoffel steckte. In ihrem Négligé war sie entzückend anzusehen, köstlich wie die phantastischen Gestalten von Westall, [Fußnote] schien sie Mädchen und Frau zugleich zu sein; mehr Mädchen vielleicht als Frau, genoß sie ein ungetrübtes Glück und kannte von der Liebe nur die ersten Wonnen. Kaum hatte Raphael über seiner süßen Träumerei seine Zeitung vergessen, als Pauline nach ihr griff, sie zusammenknüllte, eine Kugel aus ihr ballte und sie in den Garten warf; die Katze sprang der Politik hinterher, die sich wie immer um sich selbst drehte. Als Raphael, von dieser kindlichen Szene erheitert, seine Lektüre fortsetzen und das entschwundene Blatt aufheben wollte, brach frisches, fröhliches Lachen los, das wie der Gesang eines Vogels sich selbst immer von neuem erzeugt.
»Ich bin eifersüchtig auf die Zeitung«, sagte sie und trocknete die Tränen, die bei ihrem kindlichen Gelächter hervorgeschossen waren. »Ist es nicht ein frevelhafter Treubruch«, fuhr sie, plötzlich die Frau hervorkehrend, fort, »daß du in meiner Gegenwart russische Proklamationen liest und daß du die Prosa des Zaren Nikolaus meinen Worten und Blicken der Liebe vorziehst?«
»Ich habe nicht gelesen, geliebter Engel, ich habe dich angesehen.«
In diesem Augenblick hörte man den schweren Schritt des Gärtners herankommen, unter dessen nägelbeschlagenen Stiefeln der Sand der Gartenwege knirschte:
»Entschuldigen Sie, Monsieur le Marquis, wenn ich Sie und Madame störe, aber ich bringe ein Ding, das so seltsam ist, wie ich noch keins gesehen habe. Zieh ich doch eben, mit Respekt zu sagen, einen Eimer Wasser hoch und bringe da diese kuriose Wasserpflanze mit herauf! Hier ist sie! Das Ding muß ganz gut ans Wasser gewöhnt sein, denn es war gar nicht aufgeweicht und nicht einmal feucht. Trocken wie ein Stück Holz und dabei kein bißchen Fett dran. Monsieur le Marquis sind sicher gelehrter als ich, und da dachte ich, ich will es Ihnen bringen, das wird Sie interessieren.«