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Das Chagrinleder 驴皮记:Die Frau ohne Herz-7

时间:2019-01-28来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Die Frau ohne Herz
»Ich sage dir . . .«
»Ja gewiß, sehr richtig, du hast ganz recht. Der Wunsch macht größer . . .«
»Ich sage, das Leder . . .«
»Ja, gewiß.«
»Du glaubst mir nicht. Ich kenne dich, alter Freund, du lügst wie ein neugebackener König.«
»Ja, verlangst du denn, ich soll den Unsinn, den du im Rausche daherschwatzt, für bare Münze nehmen?«
»Was gilt die Wette? Ich kann es dir beweisen. Nehmen wir das Maß . . .«
»Oh je, wenn er doch schlafen wollte!« rief Émile, als er sah, wie Raphael im Speisesaal hin und her suchte.
Dank der seltsamen Hellsicht, die bei Trunkenen manchmal auftritt und die etwas ganz anderes ist als die stumpfen Visionen des Rausches, gelang es Valentin mit affenartiger Behendigkeit, ein Schreibzeug und eine Serviette zu beschaffen, wobei er ununterbrochen wiederholte: »Wir wollen Maß nehmen! Wir wollen Maß nehmen!«
»Schön«, sagte Émile, »wir wollen Maß nehmen!«
Die beiden Freunde entfalteten die Serviette und legten das Chagrinleder darauf. Émile, dessen Hand sicherer schien als die Raphaels, zog mit der Feder die Konturen des Talismans nach, während sein Freund zu ihm sagte:
»Ich habe mir 200 000 Livres Rente gewünscht, nicht wahr? Wenn ich sie bekomme, dann wirst du sehen, wie mein Leder kleiner geworden ist.«
»Ja. Schlaf jetzt. Soll ich dich auf das Sofa legen? Liegst du gut?«
»Jawohl, du Pressebaby! Du sollst mein Spaßmacher werden, du sollst mir die Fliegen wegjagen. Der Freund im Unglück hat ein Recht, der Freund der Mächtigen zu werden. Und ich werde dir – gar – ren, Ha – van . . .«
»Nun, nun, schlaf nur dein Rauschgold aus, Millionär!«
»Und du deine Artikel. Gute Nacht! Willst du wohl Nebukadnezar gute Nacht sagen! Liebe! Zu trinken! Frankreich . . . Ruhm und reich . . . reich . . .«
Bald vereinigte sich das Schnarchen der beiden Freunde mit der Musik, die aus den Salons erscholl. Ein Konzert, das niemand hörte! Die Kerzen erloschen eine nach der anderen und zersprengten ihre kristallenen Manschetten. Die Nacht hüllte ihren Schleier über diese endlose Orgie, in der Raphaels Erzählung wie eine Orgie von Worten gewesen war, von Worten ohne Ideen, und von Ideen, denen oft der rechte Ausdruck fehlte.
Am nächsten Tag gegen Mittag stand die schöne Aquilina gähnend und müde auf; die Wangen vom Abdruck der Samtpolster marmoriert, auf denen ihr Kopf gelegen hatte. Euphrasie, die von den Bewegungen ihrer Gefährtin geweckt wurde, fuhr mit einem heiseren Schrei auf; ihr hübsches Gesicht, das am Abend zuvor so frisch und weiß gewesen, war gelb und fahl wie das einer Dirne, die ins Spital muß. Allmählich regten sich auch die anderen Gäste unter dumpfen Seufzern, ihre Arme und Beine waren steif, tausend Plagen drückten sie beim Erwachen nieder. Ein Diener zog die Gardinen hoch und öffnete die Fenster der Salons. Die Gesellschaft fand sich wieder auf den Beinen, die warmen Sonnenstrahlen, die auf die Gesichter der Schläfer fielen, belebten sie. Der unruhige Schlaf hatte die eleganten Frisuren zerstört und die Kleider zerknittert, so boten die Frauen im hellen Tageslicht einen abstoßenden Anblick: ihre Haare hingen wirr herunter, der Ausdruck ihrer Züge hatte sich verändert, ihre strahlenden Augen waren vor Übermüdung trübe geworden. Die gelbe Haut, die bei Kerzenschein schimmerte, war abscheuerregend; die blutleeren Gesichter, so zart und weich, als sie ausgeruht waren, sahen nun grün aus; die sonst lieblichen roten Münder waren jetzt trocken und blaß und wiesen die schmählichen Spuren der Trunkenheit auf. Die Männer wichen vor den nächtlichen Geliebten zurück, die sie so allen Glanzes ledig sahen, leichenhaft, gleich zertretenen Blumen, die nach einer Prozession auf der Straße liegen. Diese hochmütigen Männer jedoch waren noch schrecklicher anzusehen. Diese menschlichen Gesichter hätten sie zurückschaudern lassen mit ihren hohlen schwarz umränderten Augen, die vom Wein umnebelt und durch einen üblen Schlaf, der mehr ermüdend als erfrischend war, getrübt, nichts wahrzunehmen schienen. Diese übernächtigten Gesichter, auf denen die physischen Triebe nackt zutage traten, ohne die Poesie, mit der unsere Seele sie schmückt, hatten etwas grauenhaft Wildes und Bestialisches an sich. Dieses Erwachen des hüllenlosen ungeschminkten Lasters, dieses entblößten, kalten, hohlen Gerippes des Bösen, das, der Sophismen des Geistes oder der Verzauberungen des Luxus beraubt, diese unverzagten Streiter entsetzte, so sehr sie auch den Kampf mit der Ausschweifung gewöhnt waren. Künstler und Kurtisanen blieben stumm und sahen verstört auf die Unordnung in den Räumen, wo das Feuer der Leidenschaft alles verheert und verwüstet hatte. Ein infernalisches Gelächter erhob sich mit einem Male, als Taillefer auf das dumpfe Röcheln seiner Gäste hin sich zur Begrüßung eine Grimasse abquälen wollte; sein rot aufgedunsenes, vor Schweiß triefendes Gesicht ließ über dieser höllischen Szene das Bild des Verbrechens ohne Reue schweben. Die Szenerie war vollständig. Das war schmutzige Vollkommenheit mitten im Luxus, eine grausige Mischung aus menschlichem Glanz und Elend, das Erwachen der Ausschweifung, wenn sie mit ihren starken Händen alle Früchte des Lebens ausgepreßt hat und nichts um sich läßt als schmachvolle Trümmer und Lügen, an die sie nicht mehr glaubt. Das Bild erinnerte an den grinsenden Tod mitten in einer pestkranken Familie: keine betäubenden Düfte und Lichter mehr; keine Heiterkeit und kein Verlangen; dafür der Überdruß mit seinen eklen Gerüchen und seiner ätzenden Philosophie; die Sonne, strahlend hell wie die Wahrheit, eine Luft, rein wie die Tugend, im Gegensatz zu der schwülen Atmosphäre, die mit widrigen Dünsten, mit dem Pesthauch einer Orgie geschwängert war! Das eine oder andere Mädchen, obwohl sie das Laster gewohnt waren, dachte wohl an ihr Erwachen von ehemals, wo sie unschuldig und rein durch ihre ländlichen Fenster, an denen Geißblatt und Rosen rankten, eine morgenfrische Landschaft im tauschimmernden Dunstkleid der aufgehenden Sonne schauten, die das freudige Schmettern der Lerche verzauberte. Andere malten sich das Frühstück in der Familie aus, den Tisch, um den in unschuldiger Freude die Kinder und der Vater saßen, wo um alles ein unbeschreiblicher Zauber lag und die Gerichte einfach waren wie die Herzen. Ein Künstler dachte an den Frieden seines Ateliers, an seine keusche Statue, an das graziöse Modell, das ihn erwartete. Ein junger Mann erinnerte sich an den Prozeß, von dem das Schicksal einer Familie abhing, und eine wichtige Verhandlung fiel ihm ein, bei der seine Gegenwart unerläßlich war. Der Gelehrte dachte mit Bedauern an sein stilles Arbeitszimmer, wohin ihn ein edles Werk rief. Fast alle waren mit sich unzufrieden. In diesem Augenblick erschien Émile, frisch und rosig, wie der schmuckste Ladendiener eines florierenden Geschäfts, und lachte. 
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