»Wie heißt der junge Mann, den ich da unten sehe?« fragte der Notar und deutete auf Raphael. »Ich glaubte ihn Valentin nennen zu hören?« »Was reden Sie da kurzweg von Valentin?« rief Émile lachend. »Raphael de Valentin, wenn ich bitten darf! Wir tragen einen goldenen Adler im schwarzen Feld, mit einer silbernen Krone, Schnabel und Krallen rot, mit der schönen Devise: Non cecidit animus! [Fußnote] Wir sind kein Findelkind, sondern der Abkömmling des Kaisers Valens, des Stammvaters der Valentinois, des Gründers der Städte Valencia in Spanien und Valence in Frankreich, rechtmäßiger Erbe des Oströmischen Reiches. Wenn wir Mahmud in Konstantinopel herrschen lassen, so aus reiner Gutmütigkeit und aus Mangel an Geld und Soldaten.«
Émile beschrieb mit seiner Gabel in der Luft eine Krone über dem Kopf Raphaels. Der Notar besann sich eine Weile und machte sich dann wieder ans Trinken, indem er durch eine bezeichnende Gebärde andeutete, daß es ihm unmöglich sei, die Städte Valence und Valencia, Konstantinopel, Mahmud, Kaiser Valens und die Familie der Valentinois unter seine Klientel zu bringen.
»Ist die Zerstörung dieser Ameisenhaufen, namens Babylon, Tyrus, Karthago oder Venedig, die unter den Füßen eines darüber hinwegschreitenden Riesen zertreten worden sind, nicht eine dem Menschen von einer spottliebenden Macht erteilte Mahnung?« fragte Claude Vignon, eine Art gekaufter Sklave, der für zehn Sous die Zeile Weisheiten à la Bossuet [Fußnote] verzapfte.
»Moses, Sulla, Ludwig XI., Richelieu, Robespierre und Napoleon sind vielleicht ein und derselbe Mann, der in verschiedenen Epochen wie ein Komet am Himmel wieder erscheint«, antwortete ein Anhänger von Ballanche. [Fußnote]
»Wozu die Vorsehung ergründen wollen?« versetzte Canalis, ein Balladenfabrikant.
»Oh, was die Vorsehung angeht!« unterbrach ihn der Nörgler; »ich kenne in der Welt keinen Begriff, der dehnbarer ist.«
»Was wollen Sie, Monsieur! Ludwig XIV. hat, um die Wasserleitungen [Fußnote] von Maintenon graben zu lassen, mehr Menschen ums Leben gebracht als der Konvent, [Fußnote] um die Steuern gerecht zu verteilen, die Vereinheitlichung der Gesetze herzustellen, Frankreich zu nationalisieren und die Erbschaften gleichmäßig zu verteilen«, sagte Massol, der Republikaner geworden war, weil ihm ein Wörtchen vor seinem Namen fehlte.
»Monsieur«, wandte sich Moreau de l'Oise, ein Großgrundbesitzer, an ihn, »da Sie Blut für Wein halten, werden Sie denn diesmal jedem seinen Kopf auf den Schultern lassen?«
»Wozu denn, mein Bester? Sind die Grundsätze der sozialen Ordnung nicht ein paar Opfer wert?«
»Bixiou, he! Der Dingsda, der Republikaner, behauptet, daß der Kopf dieses Grundbesitzers ein Opfer wäre«, sagte ein junger Mann zu seinem Nachbarn.
»Menschen und Ereignisse sind nichts«, setzte der Republikaner, von Schluckauf unterbrochen, seine Theorie fort; »in der Politik und der Philosophie gibt es nur Prinzipien und Ideen.«
»Wie grauenhaft! So hätten Sie kein Bedenken, Ihre Freunde für ein ›wenn‹ zu töten? . . .«
»Ach was, Monsieur! Der Mensch, der Gewissensbisse hat, ist der wahre Bösewicht, denn er hat einen Begriff von der Tugend; während Peter der Große und der Herzog Alba Systeme waren, und der Korsar Monbard [Fußnote] eine Organisation.«