Am folgenden Nachmittag wanderten Reinhard und Elisabeth jenseit des Sees, bald durch die Holzung, bald auf dem hohen vorspringenden Uferrande. Elisabeth hatte von Erich den Auftrag erhalten, während seiner und der Mutter Abwesenheit Reinhard mit den schönsten Aussichten der nächsten Umgegend, namentlich von der andern Uferseite auf den Hof selber, bekannt zu machen. Nun gingen sie von einem Punkt zum andern. Endlich wurde Elisabeth müde und setzte sich in den Schatten überhängender Zweige, Reinhard stand ihr gegenüber an einen Baumstamm gelehnt; da hörte er tiefer im Walde den Kuckuck rufen, und es kam ihm plötzlich, dies alles sei schon einmal ebenso gewesen. Er sah sie seltsam lachelnd an. »Wollen wir Erdbeeren suchen?« fragte er. »Es ist keine Erdbeerenzeit«, sagte sie.
»Sie wird aber bald kommen.«
Elisabeth schüttelte schweigend den Kopf; dann stand sie auf, und beide setzten ihre Wanderung fort; und wie sie so an seiner Seite ging, wandte sein Blick sich immer wieder nach ihr hin; denn sie ging schön, als wenn sie von ihren Kleidern getragen würde. Er blieb oft unwillkürlich einen Schritt zurück, um sie ganz und voll ins Auge fassen zu können. So kamen sie an einen freien, heidebewachsenen Platz mit einer weit ins Land reichenden Aussicht. Reinhard bückte sich und pflückte etwas von den am Boden wachsenden Kräutern. Als er wieder aufsah, trug sein Gesicht den Ausdruck leidenschaftlichen Schmerzes.
»Kennst du diese Blume?« sagte er.
Sie sah ihn fragend an. »Es ist eine Erika. Ich habe sie oft im Walde gepflückt.«
»Ich habe zu Hause ein altes Buch«, sagte er, »ich pflegte sonst allerlei Lieder und Reime hineinzuschreiben; es ist aber lange nicht mehr geschehen. Zwischen den Blättern liegt auch eine Erika; aber es ist nur eine verwelkte Weißt du, wer sie mir gegeben hat?« Sie nickte stumm; aber sie schlug die Augen nieder und sah nur auf das Kraut, das er in der Hand hielt. So standen sie lange. Als sie die Augen gegen ihn aufschlug, sah er, daß sie voll Tränen waren.
»Eliabeth«, sagte er, »hinter jenen blauen Bergen liegt unsere Jugend. Wo ist sie geblieben?«
Sie sprachen nichts mehr; sie gingen stumm nebeneinander zum See hinab. Die Luft war schwül, im Westen stieg schwarzes Gewölk auf. »Es wird Gewitter«, sagte Elisabeth, indem sie ihren Schritt beeilte. Reinhard nickte schweigend, und beide gingen rasch am Ufer entlang, bis sie ihren Kahn erreicht hatten.
Während der Überfahrt ließ Elisabeth ihre Hand auf dem Rande des Kahnes ruhen. Er blickte beim Rudern zu ihr hinüber; sie aber sah an ihm vorbei in die Ferne. So glitt sein Blick herunter und blieb auf ihrer Hand; und diese blasse Hand verriet ihm, was ihr Antlitz ihm verschwiegen hatte. Er sah auf ihr jenen feinen Zug geheimen Schmerzes, der sich so gern schönen Frauenhände bemächtigt, die nachts auf krankem Herzen liegen. – Als Elisabeth sein Auge auf ihrer Hand ruhen fühlte, ließ sie sie langsam über Bord ins Wasser gleiten.
Auf dem Hofe angekommen, trafen sie einen Scherenschleiferkarren vor dem Herrenhause; ein Mann mit schwarzen, niederhängenden Locken trat emsig das Rad und summte eine Zigeunermelodie zwischen den Zähnen, während ein eingeschirrter Hund schnaufend daneben lag. Auf dem Hausflur stand in Lumpen gehüllt ein Mädchen mit verstörten, schönen Zügen und streckte bettelnd die Hand gegen Elisabeth aus.
Reinhard griff in seine Tasche; aber Elisabeth kam ihm zu vor und schüttete hastig den ganzen Inhalt ihrer Börse in die offene Hand der Bettlerin. Dann wandte sie sich eilig ab, und Reinhard hörte, wie sie schluchzend die Treppe hinaufging.
Er wollte sie aufhalten, aber er besann sich und blieb an der Treppe zurück Das Mädchen stand noch immer auf dem Flur, unbeweglich, das empfangene Almosen in der Hand. »Was willst du noch?« fragte Reinhard.
Sie fuhr zusammen. »Ich will nichts mehr«, sagte sie; dann den Kopf nach ihm zurückwendend, ihn anstarrend mit den verirrten Augen, ging sie langsam gegen die Tür. Er rief einen Namen aus, aber sie hörte es nicht mehr; mit gesenktem Haupte, mit über der Brust gekreuzten Armen schritt sie aber den Hof hinab.
Sterben, ach sterben
soll ich allein!
Ein altes Lied brauste ihm ins Ohr der Atem stand ihm still; eine kurze Weile, dann wandte er sich ab und ging auf sein Zimmer.
Er setzte sich hin, um zu arbeiten, aber er hatte keine Gedanken. Nachdem er es eine Stunde lang vergebens versucht hatte, ging er ins Familienzimmer hinab. Es war niemand da, nur kühle, grüne Dämmerung; auf Elisabeths Nähtisch lag ein rotes Band, das sie am Nachmittag um den Hals getragen hatte. Er nahm es in die Hand, aber es tat ihm weh, und er legte es wieder hin. Er hatte keine Ruhe, er ging an den See hinab und band den Kahn los; er ruderte hinüber und ging noch einmal alle Wege, die er kurz vorher mit Elisabeth zusammen gegangen war. Als er wieder nach Hause kam, war es dunkel; auf dem Hofe þegegnete ihm der Kutscher, der die Wagenpferde ins Gras bringen wollte; die Reisenden waren eben zurückgekehrt. Bei seinem Eintritt in den Hausflur hörte er Erich im Gartensaal auf und ab schreiten. Er ging nicht zu ihm hinein; er stand einen Augenblick still und stieg dann leise die Treppe hinauf nach seinem Zimmer. Hier setzte er sich in den Lehnstuhl am Fenster; er tat vor sich selbst, als wolle er die Nachtigall hören, die unten in den Taxuswänden schlug, aber er hörte nur den Schlag seines eigenen Herzens. Unter ihm im Hause ging alles zur Ruh, die Nacht verrann er fühlte es nicht. – So saß er stundenlang. Endlich stand er auf und legte sich ins offene Fenster. Der Nachttau rieselte zwischen den Blättern, die Nachtigall hatte aufgehört zu schlagen. Allmählich wurde auch das tiefe Blau des Nachthimmels von Osten her durch einen blaßgelben Schimmerverdrängt; ein frischer Wind erhob sich und streifte Reinhards heiße Stirn; die erste Lerche stieg jauchzend in die Luft. – Reinhard kehrte sich plötzlich um und trat an den Tisch; er tappte nach einem Bleistift, und als er diesen gefunden, setzte er sich und schrieb damit einige Zeilen auf einen weißen Bogen Papier. Nachdem er hiermit fertig war, nahm er Hut und Stock, und das Papier zurücklassend, öffnete er behutsam die Tür und stieg in den Flur hinab. Die Morgendämmerung ruhte noch in allen Winkeln; die große Hauskatze dehnte sich auf der Strohmatte und sträubte den Rücken gegen seine Hand, die er ihr gedankenlos entgegenhielt. Draußen im Garten aber priesterten schon die Sperlinge von der Zweigen und sagten es allen, daß die Nacht vorbei sei. Da hörte er oben im Hause eine Tür gehen; es kam die Treppe herunter, und als er aufsah stand Elisabeth vor ihm. Sie legte die Hand auf seinen Arm, sie bewegte die Lippen, aber er hörte keine Worte. »Du kommst nicht wieder«, sagte sie endlich. »Ich weiß es, lüge nicht; du kommst nie wieder.«
»Nie«, sagte er. Sie ließ die Hand sinken und sagte nichts mehr. Er ging über den Flur der Tür zu; dann wandte er sich noch einmal. Sie stand bewegungslos an derselben Stelle und sah ihn mit toten Augen an. Er tat einen Schritt vorwärts und streckte die Arme nach ihr aus. Dann kehrte er sich gewaltsam ab und ging zur Tür hinaus. – Draußen lag die Welt im frischen Morgenlichte, die Tauperlen, die in den Spinngeweben hingen, blitzten in den ersten Sonnenstrahlen. Er sah nicht rückwärts; er wanderte rasch hinaus; und mehr und mehr versank hinter ihm das stille Gehöft, und vor ihm auf stieg die große, weite Welt. – –
Der Alte
Der Mond schien nicht mehr in die Fensterscheiben, es war dunkel geworden; der Alte aber saß noch immer mit gefalteten Händen in seinem Lehnstuhl und blickte vor sich hin in den Raum des Zimmers. Allmählich verzog sich vor seinen Augen die schwarze Dämmerung um ihn her zu einem breiten, dunkeln See; ein schwarzes Gewässer legte sich hinter das andere, immer tiefer und ferner, und auf dem letzten, so fern, daß die Augen des Alten sie kaum erreichten, schwamm einsam zwischen breiten Blättern eine weiße Wasserlilie.
Die Stubentür ging auf, und ein heller Lichtstrahl fiel ins Zimmer. »Es ist gut, daß Sie kommen, Brigitte«, sagte der Alte. »Stellen Sie das Licht nur auf den Tisch.«
Dann rückte er auch den Stuhl zum Tische, nahm eins der aufgeschlagenen Bücher und vertiefte sich in Studien, an denen er einst die Kraft seiner Jugend geübt hatte. 第二天下午,莱因哈特和伊利莎白在湖对岸散步,一会儿穿越树林,一会儿又到那高高的凸出的湖岸上。埃利希曾叮嘱过伊利莎白,要她在他和她母亲出门期间带领莱因哈特去看看附近一带最美丽的景色,尤其是从湖对岸望向庄园这边的风景。于是他们从一个地方走向另一个地方。最后伊利莎白疲倦了,她在一些伸展出的枝子的阴影里坐了下来。莱因哈特对着她靠在一根树干上;这时候,他听到在树林的深处有杜鹃的啼叫声,他忽然想起,这一切情景从前仿佛都曾经经历过。他用一种奇特的微笑看着她问道:“我们要去找草莓吗?”
“这不是草莓的季节。”她回答说。
“可是这季节快到了。”
伊利莎白默默地摇摇头,然后站了起来,两人又继续漫步前去;当她在他身边这样走着的时候,他的眼光终是一再地转向她;因为她的步态是这样美,就仿佛她是被她的衣服托着走似的。他常常不自觉地落后一步,以便能把她整个的身影攫进他的眼帘。就这样他们来到了一处长满了杂草的空旷的场地,从那里可以远远地看到伸展出去的田野景色。莱因哈特弯下身去,从杂草丛生的地上摘了一样东西。当他重又抬起头来的时候,在他脸上出现了一种痛苦的表情。“你认得这种花吗?”他问道。
她疑惑地望了他一限。“这是石南花。我在林子里常常能摘到这种花。”
“在我家里有一本旧册子,”他说;“我平时常常在里面写一些歌和诗歌;但是好久以来我不再写了。在册子里夹有一朵石南花;不过那是一朵已经枯萎的石南花。你知道,是谁送给我的吗?”
她默默地点了点头;但是眼帘低垂了下来,注视着他手中的那朵花。
他们就这样站了很久。当她抬眼再望他时,他看见她的两眼满含着泪水。
“伊利莎白,”他说,“我们的青春消失在那些青山的后边了。如今它在哪里呢?”
他们再也没有说话;默默地并肩向着湖边走去。空气闷热,西边出现了乌云。“要下雷雨了。”伊利莎白说道,一边加快了脚步。莱因哈特默默地点点头,两人急速地沿着湖岸赶到了他们的船边。
渡河的时候,伊乎莎白把她的手放在船舷上。莱因哈特一边划船一边望着她;但她的眼光却越过他看往远处。于是他的视线往下落到了她的手上;这只苍白的手向他泄露了,她的脸容所没有表现出来的东西。他在这只手上看到了暗示隐痛的微细的特点,这种特点往往出现在那些夜晚的时候放在伤痛的心口上的女人的纤手上。——当伊种莎白觉察到他的眼睛停留在她的手上时,她就让它慢慢地从船舷滑到了水里。
他们到达庄园时,有一辆磨刀的车子停在正房前面。一个长着满头黑垂鬈发的男子正在热心地踩动磨轮,唇齿间哼哼着吉普赛人的曲调,同时一只被拴在车子上的狗躺在旁边喘气。门廊里站着一个穿得很破烂的女孩子,她的美丽的脸容显得有点恍惚,她伸出手来向伊利莎白乞讨。
莱因哈特正要掏口袋;可是伊利莎白抢在他前面,急速地把她钱袋里所有的钱都倒在向她伸出的手里。随即她急急地转身走去,莱因哈特听到她啜泣着上了台阶。
他想拦住她,可是再一想,他就停在台阶前了。女孩还是呆呆地站在门廊里,手里拿着她讨到的钱。“你还想要什么呢?”莱因哈特问道。
她吃了一惊。“我不想要什么了。”她回答说;然后把头转向了他,用迷惑的目光看了看他,慢慢地走向门口。他叫出了一个名字,可是她已经听不见;她垂着脑袋,两臂交叉在胸前经过庭园走出去了。
死亡,啊死亡我将独自去。
一首古老的曲调在他耳边响了起来,他简直透不过气来了;停了一会,她才转身走回自己的房间。
他坐下来想工作,可是思想不能集中。经过一小时无望的尝试后,他就来到起居室。那里没有人,只有阴凉的绿色幽光;伊利莎白的缝纫桌上放着一条红缎带子,这是她下午围在脖子上的。他把它拿在手里,可是这令他痛苦,于是他又把它放了下来。他的心情不能平息,于是又走向湖边,他解开了船,把它划到对岸,将刚才同伊利莎白一起走过的全部路程重新又走了一次。回来的时候,天色已经黑了;在院子里他碰到了牵着马去放牧的车夫;出门的人正巧刚回来。在他进门廊的时候,听到埃利希在花园客厅里来回踱步。他没有进去见他;他静站了一会,然后轻轻地上楼进到了自己的屋里。
他在窗旁的靠背椅上坐了下来:他要自己相信,仿佛他听到了下面篱树间的夜莺的鸣叫;其实他听到的只是他自己的心跳声。
楼底下的屋里一切都已安宁,夜晚正渐渐逝去,而他却没有感觉到。
——他就这样一点钟一点钟地坐着。最后他站了起来,走向开了的窗房跟前。
树叶间滴着夜晚的露水,夜莺停止了歌唱。深蓝的夜空逐渐为东方升起的浅黄色的微光所掩盖;一阵清风吹拂着莱因哈特发热的额部;第一只云雀欢跃地飞向高空。——莱因哈特忽然转身走向桌子;他摸索着寻找铅笔,找到后,他就坐下来在一张白纸上写了几行字。他写完后,拿起帽子和手杖,把纸条留放在那里,悄悄地开了门,走到楼下的门廊里。——晨曦依然笼罩着每个角落;一只大猫在草席上伸展着身子,他天意间向它伸出了手,而它就对此弓起了腰。外面花园里,麻雀在树枝间欢腾跳跃,告诉大家:夜晚已经过去了。这时他听到楼上屋子有门响;有人下楼来了,他抬眼看时,却见伊利莎白站在他面前。她把一只手放到他的臂上,她的嘴唇在动,可是他听不到一个字。“你不会再来了,”她终于说道。“我知道,不要骗我;你永远不会再来了。”
“永远不会了。”他说道。她的手落了下来,再也没有说话。他经过门廊走向大门;过后再一次又转过身来。她还在原处一动不动地站着,用失神的目光看着他。他向前走了一步,向她伸开了两臂,可是一下忽又猛然回过身去走出了大门。——外面的世界浴在清新的晨光里,掉在蜘蛛网里的露水在初升的阳光下闪闪发亮。他再也没有回头;他急速地走向前去;庄园渐渐地在他的后边消失了,在他面前展开了广阔的世界。
老人月光不再射向玻璃窗,天黑了下来;老人依然合着双手坐在他的靠背椅里,他凝神望着屋子的空间。渐渐地围绕在他四周的这片瞣/oo 眬的昏暗在他眼前变成了一个宽阔的幽暗的湖面;黝黑的水波一个接一个推向前方,愈来愈深,愈来愈远,到最后一个的时候,是这样遥远,以致老人的视力几乎很难达到,只见那里在宽阔的叶子中间孤寂地飘浮着一朵白色的睡莲。
屋子的门开了,一线亮光进到了屋里。“你来得好极了,勃丽吉泰,”
老人说道,“你把灯放在桌上吧。”
他们靠背椅拉到桌前,拿起一本打开了的书本,又埋头于那消耗了他青春时期精力的学习上。(全部小说终)
孙凤城译