»Spiel diesen Burschen einen Streich«, sagte er zu Eugen. »Kauf ein Terrain für fünf Jahre auf dem Père Lachaise und bestell einen Dienst dritter Klasse für die Kirche und die Bestattung. Wenn die Schwiegersöhne und die Töchter dir das Geld nicht zurückgeben, läßt du auf dem Grabstein folgende Inschrift anbringen: ›Hier ruht Goriot, Vater der Gräfin de Restaud und der Baronin de Nücingen. Er wurde auf Kosten zweier Studenten beerdigt.‹«
Eugen befolgte diesen Rat seines Freundes erst, nachdem er vergebens bei Herrn und Frau de Nücingen und bei Herrn und Frau de Restaud gewesen war.
Er kam nicht weiter als bis zum Tor. Die beiden Hausmeister hatten strikte Anweisungen.
»Monsieur und Madame«, sagten sie, »empfangen niemanden, ihr Vater ist gestorben, sie sind in tiefster Trauer.«
Eugen kannte das Pariser Leben zur Genüge, um zu wissen, daß weiteres Drängen nutzlos sei. Das Herz krampfte sich ihm zusammen, als er sah, daß es unmöglich war, zu Delphine zu gelangen.
»Verkaufen Sie ein Schmuckstück«, schrieb er ihr beim Pförtner, »auf daß Ihr Vater würdig zu seiner letzten Ruhestätte geführt werde.«
Er steckte den Zettel in einen Umschlag und bat den Hausmeister, ihn Therese zu überbringen. Aber der Hausmeister gab den Brief dem Baron de Nücingen, der ihn ins Feuer warf. Gegen drei Uhr kehrte Eugen zur Pension zurück. Er konnte die Tränen nicht unterdrücken, als er vor der Tür den kaum mit schwarzem Tuch bedeckten Sarg sah, der in der einsamen Straße auf zwei Stühlen stand. Ein armseliger Weihwedel, an den noch niemand gerührt hatte, lag in einem versilberten Kupferbecken mit Weihwasser. Die Tür war nicht einmal schwarz ausgeschlagen. Es war der Tod der Armen, ohne Gepränge, ohne Gefolge, ohne Freunde und Verwandte. Bianchon, der im Hospital bleiben mußte, hatte Rastignac schriftlich über die Besorgung des Gottesdienstes berichtet. Er teilte mit, daß eine Messe zu teuer sei, daß man sich mit einem weniger kostspieligen Vesperdienst begnügen müsse und daß er Christoph zu den Leichenbestattern geschickt habe. Als Eugen das Gekritzel Bianchons las, sah er in den Händen der Madame Vauquer das goldgeränderte Medaillon.