Mit diesen beiden Worten hauchte er seine Seele aus.
»Der arme, liebe Mann«, sagte Sylvia. Sogar sie wurde durch diesen Ausruf weich gestimmt, in dem sich ein erhabenes Gefühl widerspiegelte, das durch die schrecklichste, unfreiwilligste Täuschung zum letzten Male zum Ausbruch gekommen war.
Der letzte Seufzer dieses Vaters sollte ein Freudenseufzer sein. Er war der Ausdruck seines ganzen Lebens, auch jetzt noch betrog er sich selbst. Vater Goriot wurde behutsam wieder auf sein Bett zurückgelegt. Von diesem Augenblick an bewahrte sein Gesicht die schmerzhaften Zeichen des Kampfes, den sich Tod und Leben in einem zur Maschine gewordenen Körper lieferten, der nicht mehr über das Bewußtsein verfügte, das den Menschen die Empfindungen von Freude und Schmerz vermittelt. Die Auflösung war nur noch eine Frage der Zeit.
»Er wird noch einige Stunden so bleiben und dann sterben, ohne daß man es bemerkt, er wird nicht einmal mehr röcheln. Das Gehirn muß vollständig gelähmt sein.«
Man hörte, wie eine junge Frau eilends die Treppe heraufkam.
»Sie kommt zu spät«, sagte Rastignac.
Es war nicht Delphine, es war Therese, ihre Kammerzofe.
»Herr Eugen«, sagte sie, »zwischen Monsieur und Madame hat es eine heftige Auseinandersetzung gegeben wegen des Geldes, das die arme Madame für ihren Vater forderte. Sie ist ohnmächtig geworden. Der Arzt mußte kommen, man hat sie zur Ader gelassen, sie schrie: ›Mein Vater stirbt, ich will Papa sehen!‹ Es waren Schreie zum Herzzerreißen.«
»Genug Therese, auch wenn sie käme, wäre es zu spät, Herr Goriot ist nicht mehr bei Bewußtsein.«
»Der arme, liebe Herr, so schlecht geht es ihm!« sagte Therese.
»Sie brauchen mich wohl nicht mehr«, sagte Sylvia, »ich muß nach meinem Essen sehen, es ist halb fünf.«
Auf der Treppe wäre sie beinahe mit Madame de Restaud zusammengestoßen.
Es war ein ernster, schrecklicher Augenblick, als die Gräfin im Zimmer erschien. Ihr Blick fiel auf das Totenbett, das von einer einzigen Kerze kümmerlich beleuchtet wurde. Sie vergoß heiße Tränen, als sie das maskenhafte Gesicht ihres Vaters sah, auf dem das letzte Leben verzuckte. Bianchon zog sich diskret zurück.
»Ich konnte nicht früher wegkommen«, sagte die Gräfin zu Rastignac.