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德米安 Demian-Sechstes Kapitel Jakobs Kampf 3

时间:2022-08-11来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Jakobs Kampf
Das Beste, was mir jene Zeit in St. noch brachte, waren Stunden mit Pistorius an der Orgel oder vor dem Kaminfeuer. Wir lasen einen griechischen Text über Abraxas zusammen, er las mir Stücke einer Übersetzung aus den Veden vor und lehrte mich das heilige „Om“ sprechen. Indessen waren es nicht diese Gelehrsamkeiten, die mich im Innern förderten, sondern eher das Gegenteil. Was mir wohltat, war das Vorwärtsfinden in mir selber, das zunehmende Vertrauen in meine eigenen Träume, Gedanken und Ahnungen, und das zunehmende Wissen von der Macht, die ich in mir trug.
Mit Pistorius verstand ich mich auf jede Weise. Ich brauchte nur stark an ihn zu denken, so war ich sicher, daß er oder ein Gruß von ihm zu mir kam. Ich konnte ihn, ebenso wie Demian, irgend etwas fragen, ohne daß er selbst da war: ich brauchte ihn mir nur fest vorzustellen und meine Fragen als intensive Gedanken an ihn zu richten. Dann kehrte alle in die Frage gegebene Seelenkraft als Antwort in mich zurück. Nur war es nicht die Person des Pistorius, die ich mir vorstellte, und nicht die des Max Demian, sondern es war das von mir geträumte und gemalte Bild, das mannweibliche Traumbild meines Dämons, das ich anrufen mußte. Es lebte jetzt nicht mehr nur in meinen Träumen, und nicht mehr gemalt auf Papier, sondern in mir, als ein Wunschbild und eine Steigerung meiner selbst.
Eigentümlich und zuweilen komisch war das Verhältnis, in welches der mißglückte Selbstmörder Knauer zu mir getreten war. Seit der Nacht, in der ich ihm gesendet worden war, hing er an mir wie ein treuer Diener oder Hund, suchte sein Leben an meines zu knüpfen und folgte mir blindlings. Mit den wunderlichsten Fragen und Wünschen kam er zu mir, wollte Geister sehen, wollte die Kabbala lernen, und glaubte mir nicht, wenn ich ihm versicherte, daß ich von all diesen Sachen nichts verstünde. Er traute mir jede Macht zu. Aber seltsam war, daß er oft mit seinen wunderlichen und dummen Fragen gerade dann zu mir kam, wenn irgendein Knoten in mir zu lösen war, und daß seine launischen Einfälle und Anliegen mir oft das Stichwort und den Anstoß zur Lösung brachten. Oft war er mir lästig und wurde herrisch weggeschickt, aber ich spürte doch: auch er war mir gesandt, auch aus ihm kam das, was ich ihm gab, verdoppelt in mich zurück, auch er war mir ein Führer, oder doch ein Weg. Die tollen Bücher und Schriften, die er mir zutrug und in denen er sein Heil suchte, lehrten mich mehr, als ich im Augenblick einsehen konnte.
Dieser Knauer verlor sich später ungefühlt von meinem Weg. Mit ihm war eine Auseinandersetzung nicht nötig. Wohl aber mit Pistorius. Mit diesem Freunde erlebte ich gegen den Schluß meiner Schulzeit in St. noch etwas Eigentümliches.
Auch den harmlosen Menschen bleibt es kaum erspart, einmal oder einigemal im Leben in Konflikt mit den schönen Tugenden der Pietät und der Dankbarkeit zu geraten. Jeder muß einmal den Schritt tun, der ihn von seinem Vater, von seinen Lehrern trennt, jeder muß etwas von der Härte der Einsamkeit spüren, wenn auch die meisten Menschen wenig davon ertragen können und bald wieder unterkriechen. — Von meinen Eltern und ihrer Welt, der „lichten“ Welt meiner schönen Kindheit, war ich nicht in heftigem Kampf geschieden, sondern langsam und fast unmerklich ihnen ferner gekommen und fremder geworden. Es tat mir leid, es machte mir bei den Besuchen in der Heimat oft bittere Stunden; aber es ging nicht bis ins Herz, es war zu ertragen.
Aber dort, wo wir nicht aus Gewohnheit, sondern aus eigenstem Antrieb Liebe und Ehrfurcht dargebracht haben, da, wo wir mit eigenstem Herzen Jünger und Freunde gewesen sind — dort ist es ein bitterer und furchtbarer Augenblick, wenn wir plötzlich zu erkennen meinen, daß die führende Strömung in uns von dem Geliebten wegführen will. Da richtet jeder Gedanke, der den Freund und Lehrer abweist, sich mit giftigem Stachel gegen unser eigenes Herz, da trifft jeder Hieb der Abwehr ins eigene Gesicht. Da tauchen dem, der eine gültige Moral in sich selber zu tragen meinte, die Namen „Treulosigkeit“ und „Undankbarkeit“ wie schändliche Zurufe und Brandmäler auf, da flieht das erschrockene Herz angstvoll in die lieben Täler der Kindheitstugenden zurück und kann nicht daran glauben, daß auch dieser Bruch getan, daß auch dieses Band zerschnitten werden muß.
Langsam hatte ein Gefühl in mir sich mit der Zeit dagegen gewendet, meinen Freund Pistorius so unbedingt als Führer anzuerkennen. Was ich in den wichtigsten Monaten meiner Jünglingszeit erlebt hatte, war die Freundschaft mit ihm, war sein Rat, sein Trost, seine Nähe gewesen. Aus ihm hatte Gott zu mir gesprochen. Aus seinem Munde waren meine Träume mir zurückgekehrt, geklärt und gedeutet. Er hatte mir den Mut zu mir selber geschenkt. — Ach, und nun spürte ich langsam anwachsend Widerstände gegen ihn. Ich hörte zu viel Belehrendes in seinen Worten, ich empfand, daß er nur einen Teil von mir ganz verstehe.
Es gab keinen Streit, keine Szene zwischen uns, keinen Bruch und nicht einmal eine Abrechnung. Ich sagte ihm nur ein einziges, eigentlich harmloses Wort — aber es war doch eben der Augenblick, in dem zwischen uns eine Illusion in farbige Scherben zerfiel.
Gedrückt hatte die Vorausahnung mich schon eine Weile, zum deutlichen Gefühl wurde sie eines Sonntags in seiner alten Gelehrtenstube. Wir lagen am Boden vor dem Feuer, und er sprach von Mysterien und Religionsformen, die er studierte, an denen er sann, und deren mögliche Zukunft ihn beschäftigte. Mir aber schien dies alles mehr kurios und interessant als lebenswichtig, es klang mir Gelehrsamkeit, es klang mir müdes Suchen unter Trümmern ehemaliger Welten daraus entgegen. Und mit einem Male spürte ich einen Widerwillen gegen diese ganze Art, gegen diesen Kultus der Mythologien, gegen dieses Mosaikspiel mit überlieferten Glaubensformen.
„Pistorius,“ sagte ich plötzlich, mit einer mir selber überraschend und erschreckend hervorbrechenden Bosheit, „Sie sollten mir wieder einmal einen Traum erzählen, einen wirklichen Traum, den Sie in der Nacht gehabt haben. Das, was Sie da reden, ist so — so verflucht antiquarisch!“
Er hatte mich niemals so reden hören, und ich selbst empfand im selben Augenblick blitzhaft mit Scham und Schrecken, daß der Pfeil, den ich auf ihn abschoß und der ihn ins Herz traf, aus seiner eigenen Rüstkammer genommen war — daß ich Selbstvorwürfe, die ich ihn in ironischem Ton gelegentlich hatte äußern hören, nun boshaft ihm in zugespitzter Form zuwarf.
Er spürte es augenblicklich, und er wurde sofort still. Ich sah ihn mit Angst im Herzen an, und sah ihn furchtbar bleich werden.
Nach einer langen schweren Pause legte er neues Holz aufs Feuer und sagte still: „Sie haben ganz recht, Sinclair. Sie sind ein kluger Kerl. Ich werde Sie mit dem antiquarischen Zeug verschonen.“
Er sprach sehr ruhig, aber ich hörte den Schmerz der Verwundung wohl heraus. Was hatte ich getan!
Die Tränen waren mir nah, ich wollte mich ihm herzlich zuwenden, wollte ihn um Verzeihung bitten, ihn meiner Liebe, meiner zärtlichen Dankbarkeit versichern. Rührende Worte fielen mir ein — aber ich konnte sie nicht sagen. Ich blieb liegen, sah ins Feuer und schwieg. Und er schwieg auch, und so lagen wir, und das Feuer brannte herab und sank zusammen, und mit jeder verblassenden Flamme fühlte ich etwas Schönes und Inniges verglühen und verfliegen, das nicht wiederkommen konnte.
„Ich fürchte, Sie verstehen mich falsch,“ sagte ich schließlich sehr gepreßt und mit trockener, heiserer Stimme. Die dummen, sinnlosen Worte kamen mir wie mechanisch über die Lippen, als läse ich aus einem Zeitungsroman vor.
„Ich verstehe Sie ganz richtig,“ sagte Pistorius leis. „Sie haben ja recht.“ Er wartete. Dann fuhr er langsam fort: „Soweit ein Mensch eben gegen den andern recht haben kann.“
Nein, nein, rief es in mir, ich habe unrecht! — aber sagen konnte ich nichts. Ich wußte, daß ich mit meinem einzigen kleinen Wort ihn auf eine wesentliche Schwäche, auf seine Not und Wunde hingewiesen hatte. Ich hatte den Punkt berührt, wo er sich selber mißtrauen mußte. Sein Ideal war „antiquarisch“, er war ein Sucher nach rückwärts, er war ein Romantiker. Und plötzlich fühlte ich tief: Gerade das, was Pistorius mir gewesen war und gegeben hatte, das konnte er sich selbst nicht sein und geben. Er hatte mich einen Weg geführt, der auch ihn, den Führer, überschreiten und verlassen mußte.
Weiß Gott, wie solch ein Wort entsteht! Ich hatte es gar nicht schlimm gemeint, hatte keine Ahnung von einer Katastrophe gehabt. Ich hatte etwas ausgesprochen, was ich im Augenblick des Aussprechens selber durchaus nicht wußte, ich hatte einem kleinen, etwas witzigen, etwas boshaften Einfall nachgegeben, und es war Schicksal daraus geworden. Ich hatte eine kleine achtlose Roheit begangen, und für ihn war sie ein Gericht geworden.
O wie sehr habe ich mir damals gewünscht, er möchte böse geworden sein, er möchte sich verteidigt, möchte mich angeschrien haben! Er tat nichts davon, alles das mußte ich, in mir drinnen, selber tun. Er hätte gelächelt, wenn er gekonnt hätte. Daß er es nicht konnte, daran sah ich am besten, wie sehr ich ihn getroffen hatte.
Und indem Pistorius den Schlag von mir, von seinem vorlauten und undankbaren Schüler, so lautlos hinnahm, indem er schwieg und mir Recht ließ, indem er mein Wort als Schicksal anerkannte, machte er mich mir selbst verhaßt, machte er meine Unbesonnenheit tausendmal größer. Als ich zuschlug, hatte ich einen Starken und Wehrhaften zu treffen gemeint — nun war es ein stiller, duldender Mensch, ein Wehrloser, der sich schweigend ergab.
Lange Zeit blieben wir vor dem verglimmenden Feuer liegen, in dem jede glühende Figur, jeder sich krümmende Aschenstab mir glückliche, schöne, reiche Stunden ins Gedächtnis rief und die Schuld meiner Verpflichtung gegen Pistorius größer und größer anhäufte. Zuletzt ertrug ich es nicht mehr. Ich stand auf und ging. Lange stand ich vor seiner Tür, lange auf der finstern Treppe, lange noch draußen vor dem Hause, wartend, ob er vielleicht käme und mir nachginge. Dann ging ich weiter und lief Stunden um Stunden durch Stadt und Vorstädte, Park und Wald, bis zum Abend. Und damals spürte ich zum erstenmal das Zeichen Kains auf meiner Stirn.
Nur allmählich kam ich zum Nachdenken. Meine Gedanken hatten alle die Absicht, mich anzuklagen und Pistorius zu verteidigen. Und alle endeten mit dem Gegenteil. Tausendmal war ich bereit, mein rasches Wort zu bereuen und zurückzunehmen — aber wahr war es doch gewesen. Erst jetzt gelang es mir, Pistorius zu verstehen, seinen ganzen Traum vor mir aufzubauen. Dieser Traum war gewesen, ein Priester zu sein, die neue Religion zu verkünden, neue Formen der Erhebung, der Liebe und Anbetung zu geben, neue Symbole aufzurichten. Aber dies war nicht seine Kraft, nicht sein Amt. Er verweilte allzu warm im Gewesenen, er kannte allzu genau das Ehemalige, er wußte allzu viel von Ägypten, von Indien, von Mithras, von Abraxas. Seine Liebe war an Bilder gebunden, welche die Erde schon gesehen hatte, und dabei wußte er im Innersten selber wohl, daß das Neue neu und anders sein, daß es aus frischem Boden quellen und nicht aus Sammlungen und Bibliotheken geschöpft werden mußte. Sein Amt war vielleicht, Menschen zu sich selbst führen zu helfen, wie er es mit mir getan hatte. Ihnen das Unerhörte zu geben, die neuen Götter, war sein Amt nicht.
Und hier brannte mich plötzlich wie eine scharfe Flamme die Erkenntnis: — Es gab für jeden ein „Amt“, aber für keinen eines, das er selber wählen, umschreiben und beliebig verwalten durfte. Es war falsch, neue Götter zu wollen, es war völlig falsch, der Welt irgend etwas geben zu wollen! Es gab keine, keine, keine Pflicht für erwachte Menschen als die eine: sich selber zu suchen, in sich fest zu werden, den eigenen Weg vorwärts zu tasten, einerlei wohin er führte. — Das erschütterte mich tief, und das war die Frucht dieses Erlebnisses für mich. Oft hatte ich mit Bildern der Zukunft gespielt, ich hatte von Rollen geträumt, die mir zugedacht sein könnten, als Dichter vielleicht oder als Prophet, oder als Maler, oder irgendwie. All das war nichts. Ich war nicht da, um zu dichten, um zu predigen, um zu malen, weder ich noch sonst ein Mensch war dazu da. Das alles ergab sich nur nebenher. Wahrer Beruf für jeden war nur das eine: zu sich selbst zu kommen. Er mochte als Dichter oder als Wahnsinniger, als Prophet oder als Verbrecher enden — dies war nicht seine Sache, ja dies war letzten Endes belanglos. Seine Sache war, das eigene Schicksal zu finden, nicht ein beliebiges, und es in sich auszuleben, ganz und ungebrochen. Alles andere war halb, war Versuch zu entrinnen, war Rückflucht in Ideale der Masse, war Anpassung und Angst vor dem eigenen Innern. Furchtbar und heilig stieg das neue Bild vor mir auf, hundertmal geahnt, vielleicht oft schon ausgesprochen, und doch erst jetzt erlebt. Ich war ein Wurf der Natur, ein Wurf ins Ungewisse, vielleicht zu Neuem, vielleicht zu Nichts, und diesen Wurf aus der Urtiefe auswirken zu lassen, seinen Willen in mir zu fühlen und ihn ganz zu meinem zu machen, das allein war mein Beruf. Das allein!
Viel Einsamkeit hatte ich schon gekostet. Nun ahnte ich, daß es tiefere gab, und daß sie unentrinnbar sei.
Ich machte keinen Versuch, Pistorius zu versöhnen. Wir blieben Freunde, aber das Verhältnis war geändert. Nur ein einzigesmal sprachen wir darüber, oder eigentlich nur er war es, der es tat. Er sagte: „Ich habe den Wunsch, Priester zu werden, das wissen Sie. Ich wollte am liebsten der Priester der neuen Religion werden, von der wir so manche Ahnungen haben. Ich werde es nie sein können — ich weiß es und wußte es, ohne es mir ganz zu gestehen, schon lange. Ich werde eben andre Priesterdienste tun, vielleicht auf der Orgel, vielleicht sonstwie. Aber ich muß immer von etwas umgeben sein, was ich als schön und heilig empfinde, Orgelmusik und Mysterium, Symbol und Mythus, ich brauche das und will nicht davon lassen. — Das ist meine Schwäche. Denn ich weiß manchmal, Sinclair, ich weiß zu Zeiten, daß ich solche Wünsche nicht haben sollte, daß sie Luxus und Schwäche sind. Es wäre größer, es wäre richtiger, wenn ich ganz einfach dem Schicksal zur Verfügung stünde, ohne Ansprüche. Aber ich kann das nicht; es ist das einzige, was ich nicht kann. Vielleicht können Sie es einmal. Es ist schwer, es ist das einzige wirklich Schwere, was es gibt, mein Junge. Ich habe oft davon geträumt, aber ich kann nicht, es schaudert mich davor: ich kann nicht so völlig nackt und einsam stehen, auch ich bin ein armer schwacher Hund, der etwas Wärme und Futter braucht und gelegentlich die Nähe von seinesgleichen spüren möchte. Wer wirklich gar nichts will als sein Schicksal, der hat nicht seinesgleichen mehr, der steht ganz allein und hat nur den kalten Weltenraum um sich. Wissen Sie, das ist Jesus im Garten Gethsemane. Es hat Märtyrer gegeben, die sich gern ans Kreuz schlagen ließen, aber auch sie waren keine Helden, waren nicht befreit, auch sie wollten etwas, was ihnen liebgewohnt und heimatlich war, sie hatten Vorbilder, sie hatten Ideale. Wer nur noch das Schicksal will, der hat weder Vorbilder noch Ideale mehr, nichts Liebes, nichts Tröstliches hat er! Und diesen Weg müßte man eigentlich gehen. Leute wie ich und Sie sind ja recht einsam, aber wir haben doch noch einander, wir haben die heimliche Genugtuung, anders zu sein, uns aufzulehnen, das Ungewöhnliche zu wollen. Auch das muß wegfallen, wenn einer den Weg ganz gehen will. Er darf auch nicht Revolutionär, nicht Beispiel, nicht Märtyrer sein wollen. Es ist nicht auszudenken —“
Nein, es war nicht auszudenken. Aber es war zu träumen, es war vorzufühlen, es war zu ahnen. Einigemal fühlte ich etwas davon, wenn ich eine ganz stille Stunde fand. Dann blickte ich in mich und sah meinem Schicksalsbild in die offenstarren Augen. Sie konnten voll Weisheit sein, sie konnten voll Wahnsinn sein, sie konnten Liebe strahlen oder tiefe Bosheit, es war einerlei. Nichts davon durfte man wählen, nichts durfte man wollen. Man durfte nur sich wollen, nur sein Schicksal. Dahin hatte mir Pistorius eine Strecke weit als Führer gedient.
In jenen Tagen lief ich wie blind umher, Sturm brauste in mir, jeder Schritt war Gefahr. Ich sah nichts als die abgründige Dunkelheit vor mir, in welche alle bisherigen Wege verliefen und hinabsanken. Und in meinem Innern sah ich das Bild des Führers, der Demian glich und in dessen Augen mein Schicksal stand.
Ich schrieb auf ein Papier: „Ein Führer hat mich verlassen. Ich stehe ganz im Finstern. Ich kann keinen Schritt allein tun. Hilf mir!“
Das wollte ich an Demian schicken. Doch unterließ ich es; es sah jedesmal, wenn ich es tun wollte, läppisch und sinnlos aus. Aber ich wußte das kleine Gebet auswendig und sprach es oft in mich hinein. Es begleitete mich jede Stunde. Ich begann zu ahnen, was Gebet ist.
 
 
Meine Schulzeit war zu Ende. Ich sollte eine Ferienreise machen, mein Vater hatte sich das ausgedacht, und dann sollte ich zur Universität gehen. Zu welcher Fakultät, das wußte ich nicht. Es war mir ein Semester Philosophie bewilligt. Ich wäre mit allem andern ebenso zufrieden gewesen. 
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