Die Salpetersäure HNO3, Molekulargewicht = 62,58, spez. Gew. bei 0° = 1,56, bei 15° = 1,530, kommt auf der Erde hauptsächlich in der Form von Salzen, den Nitraten, vor, z. B. als salpetersaures1 Kali (Kalisalpeter), und ganz besonders als salpetersaures Natron (Chilesalpeter), letzteres in ungeheuren Lagern in einigen Distrikten Chiles und Perus. Zur Darstellung der Salpetersäure benutzt man hauptsächlich den Chilesalpeter, indem man2 4 Gewichtsteile desselben mit 4-1/2 Gewichtsteilen englischer Schwefelsäure langsam destilliert, wobei die Salpetersäure übergeht3, während Natriumhydrosulfat zurückbleibt. 1 Molekül Chilesalpeter NaNO3 wird nämlich4 zersetzt durch 1 Molekül Schwefelsäure H2SO4, zu HNO3 und zu NaHSO4. Destilliert man den Salpeter mit einer geringeren Menge von Schwefelsäure, als oben angegeben wurde, oder erhitzt ein Gemenge von Chilesalpeter und Thonerde zum Glühen, so erhält man eine mit Untersalpetersäure5 verunreinigte Salpetersäure von sehr ätzender Wirkung als rotgelbe Flüssigkeit, die sogen.6 rote rauchende Salpetersäure. Die reine Salpetersäure ist eine farblose, an der Luft stark rauchende Flüssigkeit, die bei 86° siedet, bei -40° zu einer[Pg 84] farblosen Krystallmasse erstarrt. Mit Wasser mischt sie sich in jedem Verhältnis. Der Säuregehalt7 der Mischung wird durch das spezifische Gewicht bestimmt. Die gewöhnliche konzentrierte Säure des Handels besitzt bei 15,5° das spez. Gew. 1,41 entsprechend einem Gehalt an reiner Salpetersäure von 68 Prozent; ihr Siedepunkt liegt bei 123°. Die Salpetersäure färbt die Haut und manche organische Stoffe gelb, wirkt überhaupt sehr ätzend8 und zerstörend und muss mit Vorsicht behandelt werden. Sie ist ziemlich unbeständig9 und zersetzt sich schon unter dem Einfluss des Lichts (2 HNO3=2 NO2 + H2O + O), wobei sie wegen des Stickstoffdioxydgehalts eine gelbe Farbe annimmt. Der durch den gasförmig entweichenden Sauerstoff ausgeübte Druck kann dichtgeschlossene Gefässe zersprengen. Es empfiehlt sich daher, die Salpetersäure in kühlen Räumen vor Licht geschützt aufzubewahren. Infolge ihrer leichten Zersetzbarkeit unter Sauerstoffabgabe ist die Salpetersäure ein starkes Oxydationsmittel. Die meisten metalle werden von ihr oxydiert. Die gebildeten Oxyde10 lösen sich fast alle (nicht z. B. Zinn und Antimon) in der überschüssigen Säure11 zu salpetersauren Salzen, Nitraten. Ihrer Eigenschaft, Silber zu lösen und Gold nicht anzugreifen, verdankt die Salpetersäure den Namen Scheidewasser12, weil man sie schon früher dazu benutzte, um damit Gold vom Silber zu scheiden. Die Salpetersäure hat in der chemischen Industrie, besonders zur Darstellung vieler sogenannter Nitroverbindungen (Nitrobenzol, Schiessbaumwolle, Dynamit etc.) eine sehr bedeutende Anwendung gefunden. Mit dem drei- bis vierfachen Volumen Salzsäure vermischt, bildet sie eine gelbe, stark nach Chlor riechende Flüssigkeit, welche Gold und Platin auflöst und Königswasser13 genannt wird.