Wenn im Herbst die Äpfel geerntet werden, wird aus einem großen Teil davon frischer Apfelsaft hergestellt. Wie gelangt der Apfel eigentlich vom Baum in die Flasche?
Wilfred Stöcker arbeitet beim MainÄppelHaus Lohrberg in Frankfurt. Das ist ein gemeinnütziger Verein, der sich um den Erhalt von Streuobstwiesen in der Region kümmert. In der Erntesaison hilft er den Menschen dabei, das geerntete Obst weiterzuverarbeiten. Mit einer mobilen Kelterei zieht er von Ort zu Ort und stellt aus Äpfeln Saft her.
ÖkoLeo: Warum gibt es für Sie im Herbst besonders viel zu tun?
Wilfred Stöcker: Das liegt daran, dass dann die Erntesaison für Obst begonnen hat. Wenn Äpfel, Quitten und Birnen reif sind, müssen sie verarbeitet werden. Sonst werden die Früchte mehlig oder faul. Deswegen sind wir mit unserer Kelterei von früh morgens bis spät abends in Südhessen unterwegs. Die Leute vereinbaren vorab einen Termin und wir keltern dann das Obst.
ÖkoLeo: Also kann jeder seine Äpfel und sein Obst zu Ihnen bringen?
Wilfred Stöcker: Genau. Jeder, der Obst hat, kann das zu uns bringen. Wir stellen dann Saft daraus her. Anschließend bezahlen die Leute den gekelterten Saft.
ÖkoLeo: Wie genau funktioniert das mit dem Keltern? Und was braucht man dafür?
Wilfred Stöcker: Also zuerst braucht man natürlich das reife Obst. Das wird meist in Säcken, Körben oder auf PKW-Anhängern zu uns gebracht. Unsere gesamte Kelterei ist auf einem größeren Anhänger montiert. Dadurch kommen wir schnell von A nach B.
Zum Keltern brauchen wir einen Trinkwasser- und Starkstromanschluss. Denn die Äpfel müssen gewaschen und gemahlen werden. Drückt man auf einen ganzen Apfel, kommt erst mal kein Saft heraus. Darum muss man ihn vorher mahlen. Der Brei, der durch das Mahlen entsteht, heißt Maische.
Wenn die Maische aus der Mühle kommt, wird sie über eine Siebbandpresse zu Saft gepresst. Der Saft wird dann in einem Fass zwischengelagert. Er wird erhitzt, sodass die Keime abgetötet werden, die zum Verderben des Saftes führen. Anschließend wird er in spezielle Folienbeutel abgefüllt. Jeder Beutel kommt in einen Karton. Zuhause kann man dann über ein Ventil den Saft abzapfen.
Diese luftdichte Verpackung macht den Saft länger haltbar im Vergleich zu Glasflaschen. So kann man ihn noch mehrere Wochen trinken, auch nachdem er angebrochen wurde.
ÖkoLeo: Was passiert mit der Maische?
Wilfred Stöcker: Unsere Siebbandpresse besteht aus einer Trommel aus Edelstahl und einem Siebband. Die Maische wird zwischen der Trommel und dem Band ausgequetscht. Das Band ist durchlässig, der Saft wird hindurchgedrückt und aufgefangen.
Das Band transportiert die restliche Maische dann weiter auf immer kleiner werdende Walzen. Die pressen die Maische immer weiter aus.
Am Ende bleibt eine trockene Masse übrig, der Trester. Der wird auch verwertet. Viele Schäfer und Landwirtinnen nutzen ihn als Tierfutter.
ÖkoLeo: Eignen sich alle Apfelsorten zum Keltern?
Wilfred Stöcker: Prinzipiell ja. Natürlich gibt es Äpfel, die eher Tafeläpfel sind oder weniger Aroma haben. Aber vor allem wenn man verschiedene Apfelsorten mischt, bekommt man einen sehr leckeren Apfelsaft. Es gibt allerdings unterschiedliche Sorten und das merkt man auch.
ÖkoLeo: Also unterscheiden sich die Säfte je nach Sorte geschmacklich?
Wilfred Stöcker: Ja genau. Natürlich muss man die Ernte dafür sortenrein abliefern. Dann können wir auch die verschiedenen Apfelsorten entsprechend voneinander trennen. Manche Sorten sind süßer und andere etwas saurer.
ÖkoLeo: Und warum sind manche Apfelsäfte trüb und manche klar?
Wilfred Stöcker: Im Grunde genommen sind alle Apfelsäfte erst mal trüb. Denn sie enthalten noch kleine feste Teile der Äpfel. Man nennt diese Bestandteile Trub. Wenn man im den Saft im Anschluss an die Pressung filtert, kann man den Trub rauskriegen.
Das geht zum Beispiel, indem man wartet, bis sich der Trub am Boden absetzt. Oder man filtert den Saft. Alternativ kann man den Trub auch aus dem Saft schleudern. Das wird oft mit speziellen Maschinen gemacht.
Unsere Kelterei kann aber nur den naturtrüben Apfelsaft produzieren. Das schätzen unsere Kundinnen und Kunden aber auch. Naturtrüber Apfelsaft schmeckt vielen Leuten einfach besser.
ÖkoLeo: Apfelsaft gibt es ja in jedem Supermarkt zu kaufen. Warum lohnt es sich trotzdem, eigene Äpfel zu keltern?
Wilfred Stöcker: Zum einen ist es ein deutlicher Geschmacksunterschied. Zum anderen ist es ein spannendes Erlebnis, vor allem für Familien und Kinder. Und drittens ist es etwas Besonderes, Saft aus eigenen Äpfeln zu trinken. Ich sehe das immer wieder. Wer die Äpfel selbst erntet, den Saft presst und mit nach Hause nimmt, hat einen besonderen Bezug zum Produkt. Das wirkt sich auch auf das Geschmackserlebnis aus.
Außerdem bietet eigener Apfelsaft auch Vorteile fürs Klima. Denn Am Ende hat man ein regionales Produkt. Säfte aus dem Supermarkt werden häufig aus Früchten aus dem Ausland gewonnen. Das erfordert große Transportwege und verursacht CO2.
Zudem ist es sinnvoll, das Obst nicht auf der Wiese verfaulen zu lassen.
ÖkoLeo: Was mögen Sie am Keltern besonders?
Wilfred Stöcker: Wenn die Leute sich freuen, dass sie ihren eigenen Saft mit nach Hause nehmen können – das macht großen Spaß. Da haben wir viele nette Erlebnisse mit Leuten, die unsere Arbeit loben und wertschätzen.