In unseren Wäldern werden täglich Bäume gefällt. Doch wie bekommt man die Stämme schonend aus dem Wald?
Michaela Müller verdient ihr Geld unter anderem damit, Baumstämme aus dem Wald zu ziehen. Dabei wird sie von Mio unterstützt, ihrem Rückepferd. Wie genau die Arbeit mit Rückepferden aussieht und warum die Arbeit mit ihnen gut für den Wald ist, hat uns Frau Müller genauer erklärt.
ÖkoLeo: Was genau sind Rückepferde und wann kommen sie zum Einsatz?
Michaela Müller: Rückepferde ziehen Holz aus Wäldern, damit es abtransportiert werden kann. Sie kommen meistens da zum Einsatz, wo Maschinen nicht arbeiten können. Also an Steilhängen, in Naturschutzgebieten oder in Feuchtgebieten.
ÖkoLeo: Kann jedes Pferd ein Rückepferd sein?
Michaela Müller: Rückepferde sind prinzipiell Kaltblüter, also große, schwere Pferde. Es gibt allerdings auch kleine Pferde, wie Norweger, die ebenfalls für das Rücken im Wald ausgebildet werden. Rückepferde müssen einen guten Körperbau haben und arbeitswillig sein.
ÖkoLeo: Und wie nennt man die Menschen, die mit Rückepferden arbeiten? Gibt es dafür eine Berufsbezeichnung?
Michaela Müller: Der Mensch dazu ist der Fuhrmann beziehungsweise die Fuhrfrau. Das ist jedoch keine Ausbildung im traditionellen Sinne. Dennoch muss man viel über Pferde wissen und wie man mit ihnen zusammenarbeitet. Also wie führe ich ein Pferd? Wie füttere ich es? Wie ist der Gesundheitszustand? Es gibt auch Holzrücke-Kurse, an denen man teilnehmen kann.
ÖkoLeo: Werden denn die Pferde extra ausgebildet?
Michaela Müller: Die Pferde müssen über einen langen Zeitraum desensibilisiert werden. Das bedeutet, dass sie sich nicht mehr erschrecken, wenn sie laute Geräusche hören, wie Motorsägen, große Maschinen und fallende Bäume. Sie müssen in jeder Situation ruhig bleiben. Außerdem müssen sie sich an die Ketten gewöhnen, mit denen sie das Holz ziehen.
ÖkoLeo: Wie genau ziehen die Pferde denn das Holz?
Michaela Müller: Die Pferde haben ein besonderes Geschirr an. Dazu gehört meistens ein Kummet. Das haben die Pferde um den Hals. Es ist gepolstert, weil das Pferd eigentlich nicht zieht, sondern mit der Brust schiebt. Das Kummet ist mit dem Geschirr verbunden. An diesem hängen Ketten, die um den Baumstamm geschlungen werden.
ÖkoLeo: Und wohin ziehen die Pferde das Holz?
Michaela Müller: Das Pferd zieht die Baumstämme aus dem Wald in eine Rückegasse. Eine Rückegasse ist ein befahrbarer Weg für die schweren Maschinen. Die nennen sich Forwarder oder auch Tragschlepper. Die Forwader laden das Holz auf, das in der Rückegasse liegt, und bringen es zum Abtransport an die Hauptwege.
ÖkoLeo: Wie viele Stämme können die Pferde an einem Tag schaffen?
Michaela Müller: Ich ziehe im Schnitt ungefähr dreißig Festmeter aus dem Wald. Das sind je nach Dicke zwischen achtzig und hundert Baumstämme in einer Tagesschicht. Es kommt aber immer darauf an, ob man im Sumpf, am Hang oder in einem ebenerdigen Gebiet arbeitet.
ÖkoLeo: Und wie schwer kann so ein Stamm sein?
Michaela Müller: Auch das hängt von der Umgebung ab. Grundsätzlich sollte das Gewicht der Stämme maximal 20 Prozent vom Körpergewicht des Pferds betragen. Mein Pferd Mio wiegt ungefähr 850 Kilo. Der Stamm sollte also nicht schwerer sein als 160 Kilo. Ab und zu kann er auch einen schweren Stamm von 300 Kilo ziehen. Dann achte ich als Fuhrfrau aber darauf, dass der nächste Stamm wieder ein bisschen leichter ist.
ÖkoLeo: Können die Arbeiten denn nicht auch mit Maschinen gemacht werden? Und wäre das nicht sogar schneller?
Michaela Müller: Nicht unbedingt. Wenn jemand tagtäglich mit Pferden im Wald arbeitet, können die Pferde mit der Maschine mithalten. Der eigentliche Vorteil der Pferdearbeit ist aber, dass sie wesentlich schonender für den Wald ist. Mit dem Pferd verletze ich keine anderen Bäume, da es einfach um sie herumlaufen kann. Das können Maschinen nicht. Außerdem verursacht die Arbeit mit Pferden kaum Lärm. Es ist mir schon häufig passiert, dass Rehe oder sogar Hirsche vorbeigekommen sind und mir bei der Arbeit zugesehen haben. Vor einer Maschine hingegen fürchten sie sich und laufen schnell weg.
Wenn ich mit einer Maschine durch den Wald fahre, habe ich außerdem eine Bodenverdichtung. Die Maschinen sind so schwer, dass sie den Boden zusammenpressen. Ein verdichteter Boden kann nur noch fünfzehn bis zwanzig Prozent Regenwasser aufnehmen. Gerade in der heutigen Zeit, wo wir nicht viel Regen haben, ist das problematisch.
ÖkoLeo: Was ist für Sie persönlich das Besondere an der Arbeit mit Rückepferden?