Wut, Stress, Angst, Trauer oder Staubkörner: Tränen fließen oft und aus unterschiedlichen Gründen. Wer weint, kann so Schmutz aus dem Auge schwemmen - aber hilft es auch, Stress abzubauen?
Männer weinen zwar heimlich, wie Herbert Grönemeyer singt, aber sie weinen. Wenn auch deutlich seltener als Frauen: Bei ihnen rollen die Tränen bis zu 17 Mal im Jahr, bei Frauen bis zu 64 Mal, haben Augenärzte der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft ermittelt. Meistens sind es intensive Gefühle, die die Tränen strömen lassen, deswegen sprechen Forscher auch von "emotionalen Tränen". Im Gegensatz zu jenen Tränen, die fließen, wenn ein Staubkorn ins Auge fliegt oder der Wind direkt auf die Augen bläst.
Bei diesen nicht-emotionalen Tränen ist die Funktion klar: Sie spülen Fremdkörper aus und schützen das Auge vor Austrocknung. Aber was ist mit den Wut- oder Freudentränen? Welchen biologischen Sinn könnten sie haben? Eine Vermutung lautet: Beim emotionalen Weinen werden besonders viele Stresshormone mit den Tränen abgegeben. Möglicherweise hilft das sogar dabei, Stress abzubauen.
Doch unterscheiden sich die durch Emotionen ausgelösten Tränen tatsächlich von der "normalen" Tränenflüssigkeit? "Leider gibt es nur sehr wenige wissenschaftliche Arbeiten zur Zusammensetzung emotionaler Tränen", sagt Elisabeth Messmer von der Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Tränen enthalten einen kleinen Hormon-Cocktail
Immerhin sei mittlerweile klar, dass das Milchbildungshormon "Prolactin" - zumindest bei Frauen -, sowie Mangan und Kalium in den emotionalen Tränen in höherer Konzentration vorliegen. Gleiches gilt nach Angaben der Forscherin für das "Glückshormon" Serotonin. Dieses spielt unter anderem als Botenstoff oder Neurotransmitter bei der Signalübertragung im Nervensystem eine wichtige Rolle.
"Diese Hormone und Transmittersubstanzen werden mit den Tränen ausgeschieden. Allerdings in einem so geringen Maß, dass es unwahrscheinlich ist, dass dies einen therapeutischen Effekt hat", sagt Messmer. Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin oder Adrenocorticotropin (ACTH) seien ihres Wissens nach in den emotionalen Tränen nicht enthalten. Ebenso sei bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen worden, dass mit den Tränen Schadstoffe ausgeschwemmt würden.
Welchen Nutzen haben Tränen dann überhaupt? "Subjektiv wird das Weinen vom Weinenden als Erleichterung empfunden, und eine Stimmungsaufhellung nach dem Weinen beschrieben", sagt die Forscherin. Schon Hippokrates und Aristoteles sprachen von der "Katharsis-Theorie des Weinens", die Psychoanalyse übernahm später diese Theorie: Demnach bewirken Tränen eine psychische Reinigung.
Frauen und Männer weinen aus unterschiedlichen Gründen
"Heulsusen" geht es aber nicht unbedingt besser, wie verschiedene Studien gezeigt haben. Das funktioniere nur, wenn der traurige Anlass für die Tränen vorüber sei, sagen Augenärzte. Auch die Vermutung, dass Weinen körperlich entspanne, sei wissenschaftlich nicht haltbar: Während des Weinens seien Menschen körperlich angespannt - vom Anfang bis zum Ende.