Heute ist der 8. April, guten Tag liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, herzlich willkommen in unserem Podclub und zur Sendung "Typisch Helene". Heute schreibe ich wieder von meinem gewohnten Ort aus, von meiner Wohnung in Zürich. Ich sitze an meinem Schreibtisch und überlege mir, ob ich noch eine dritte Tasse Kaffee nehmen soll. Ich fühle mich heute Morgen ziemlich kaputt. Das kommt entweder vom Mojito, den ich gestern Abend noch getrunken habe - oder von meiner anstrengenden Woche. Ich habe fast rund um die Uhr gearbeitet, und das geht leider nicht mehr spurlos an mir vorbei [1]. Na ja, aber so ist das halt einfach, und ich sage immer: Eigentlich ist das Jammern [2] auf hohem Niveau. Aber manchmal tut es eben gut zu jammern. Kommen wir zu unseren Themen, liebe Zuhörer: Heute zeige ich Ihnen an einigen Beispielen, wie beschränkt [3] Politiker sein können, danach verrate ich Ihnen, welches mein Lieblingsgebäck im Frühling ist, und zum Schluss machen wir noch den Ringfinger-Test.
Es gibt Leute, die sagen, dass wirklich intelligente und kreative Menschen nie Politiker werden, sondern bleiben, was sie sind: Künstler, Journalisten, Lehrer, Anwälte, Hausfrauen, Wissenschaftlerinnen oder was auch immer. Das ist jetzt natürlich ein bisschen böse. Ich kenne einige Schweizer Politikerinnen und Politiker persönlich. Das sind alle sehr engagierte, kluge und hart arbeitende Leute. Und sie wollen das Beste für ihr Land und für die Menschen, die sie gewählt haben. Klar, bin ich nicht immer mit ihren Ansichten einverstanden und streite auch gerne mit ihnen, aber das ist ok. In einer Demokratie muss das so sein. Trotzdem befürchte ich aber, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, dass die klugen und weisen Politiker in der Minderheit sind. Wenn ich Radio höre oder Parlamentsdebatten am Fernseher verfolge, frage ich mich oft, warum diese Leute ein politisches Amt übernehmen durften. Und mehr noch: Warum sie es überhaupt wagen, in der Öffentlichkeit aufzutreten.
Erstens, sprechen viele Politiker ein miserables Deutsch, und sind sie mit ausländischen Delegationen zusammen, kommt oft heraus, dass sie kaum Englisch sprechen können. Und falls sie Englisch sprechen, dann nur ein sehr holpriges [4]. Zweitens, sind sie häufig schlecht vorbereitet und faul: Während Parlamentsdebatten lesen sie Zeitung, schwatzen oder schreiben SMS oder noch schlimmer: Sie sind gar nicht dabei, wenn über wichtige Fragen abgestimmt wird. Drittens habe ich das Gefühl, dass die meisten schlicht und einfach inkompetent sind und deshalb gar nicht merken, welche Dummheiten sie manchmal in der Öffentlichkeit herauslassen. So hat zum Beispiel unser Armeechef den Gebrauch eines Sturmgewehrs mit dem Gebrauch einer Zahnbürste verglichen. Ein Politiker beschimpfte Frauenzeitschriften, die sich gegen Schusswaffen im Privathaushalten einsetzten und sagte: "Frauen sollten sich lieber um Lippenstift und Mode kümmern, als um Politik".
Aber den Vogel abgeschossen [5] hat kürzlich ein Politiker aus dem Kanton Zürich. Das Stadtparlament diskutierte darüber, ob es der Geburtenabteilung [6] eines Spitals mehr Geld geben sollte oder nicht. In diesem Spital können viele Frauen nicht mehr gebären [7]. Und das nicht etwa, weil es an der Infrastruktur fehlt, sondern weil es zu wenig Personal gibt. Die Leitung des Spitals wollte mehr Geld, um Ärztinnen und Hebammen anstellen zu können. Da sagt der Politiker: "Aber warum denn? Heute gebären doch Frauen immer öfter bei sich zu Hause, ja sogar im Flugzeug. Wo also, ist das Problem?" Ich wünschte mir, liebe Zuhörer, ich hätte alle diese Sprüche erfunden. Aber sie sind leider wahr. Was kann man gegen solche Sprüche tun? Eine ganze Menge. Zum Beispiel das: Meine Kollegen und ich werden ab sofort nach Aussagen von Politikern Ausschau halten [8], die uns ärgern, und sie in unserem Magazin publizieren. Denn ein bisschen Strafe muss ja schon sein.
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Nach all den Sendungen in unserem Podclub kennen Sie mich nun vielleicht schon ein bisschen näher, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Und dann wissen Sie wahrscheinlich auch, dass ich Festtage nicht besonders mag. Vor allem nicht die Tage und Wochen davor, die für mich nur Eines sind: Purer Stress - und den versuche ich zu ignorieren, so gut es geht. Das ist natürlich bei Ostern nicht viel anders. Kaum haben wir Weihnachten überstanden, und kaum ist die Fasnacht vorbei, stehen die Schokoladehasen in den Geschäften bereit, und die Regale sind mit Schokoladeneiern gefüllt. Aber ich habe Ihnen ja in der letzten Sendung versprochen, dass ich nicht mehr nur darüber erzähle, was ich nicht mag, sondern auch darüber, was ich mag. Lassen wir also den ganzen Stress aus Schokolade beiseite und konzentrieren wir uns statt dessen auf - Osterfladen. Ich esse nicht viel Süsses, Süsses interessiert mich eigentlich gar nicht so sehr, aber bei Osterfladen werde ich schwach. Osterfladen sind kleine, runde Kuchen aus Griess [9], Sultaninen, Eiern, Butter, Mandeln und Zitronenschalen. Sie sind nichts Spektakuläres, sondern ein einfaches und bescheidenes Gebäck. Und weil sie ziemlich klein sind, dauert der Genuss auch nur etwa eine Minute. Aber ich liebe es, beim Kauen die feinen Griesskörner zu spüren, und wann immer ich in einen Fladen beisse, habe ich das Gefühl, ich beisse in ein Stück Frühling. Vielleicht ist das der Grund, warum ich diese Fladen so liebe. Sie sind ein kulinarisches Zeichen dafür, dass der Winter endgültig vorbei ist. Leider, leider gibt es Osterfladen jeweils nur für wenige Wochen in den Bäckereien. Kaum ist Ostern vorbei, ist auch dieser kleine, runde Genuss aus den Regalen verschwunden. Also, wenn ich Politikerin wäre, würde ich mich für einen ganzjährigen Osterfladen einsetzen. Das wäre doch endlich etwas Vernünftiges, oder nicht?
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Und zum Schluss noch dies, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Kennen Sie den Ringfinger-Test? Ja? Nein? Vielleicht? Ich habe kürzlich darüber gelesen und fand ihn ziemlich witzig. Der Test geht so: Halten Sie die Finger Ihrer rechten Hand zusammen, und vergleichen Sie die Länge von Zeig- und Ringfinger [10]. Wenn Sie eine Frau sind und Ihr Ringfinger länger ist als Ihr Zeigefinger, haben Sie sehr viele männliche Eigenschaften [11]. Studien haben gezeigt, dass die Menge an Testosteron [12], die wir im Mutterleib bekommen haben, männliche Eigenschaften wie Aggression, schnellere Frustration und soziale Dominanz beeinflusst - und sich in der Länge des Ringfingers zeigt. Die meisten Männer haben deshalb einen längeren Ringfinger als Zeigefinger, während die meisten Frauen ungefähr gleich lange Zeige- und Ringfinger haben. Als ich nach dem Test auf meine Hände blickte, bin ich fast ein bisschen erschrocken: Meine Ringfinger sind sehr viel länger als meine Zeigefinger. Ich muss mir nun überlegen, was das genau zu bedeuten hat.
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Das wars für heute, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Wir hören uns wieder am 22. April auf www.podclub.ch. Dann reden wir unter anderem über die Eiersuche am Ostersonntag und über die Gefahr der Kommunikation via SMS. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine schöne Zeit. Geniessen Sie einen Osterfladen und schauen Sie sich mal auf die Finger. Bis bald! Auf Wiederhören!
[1] spurlos an einem vorbeigehen: nichts spüren, keine Wirkung haben
[2] das Jammern: Klagen
[3] beschränkt: dumm
[4] holprig: nicht glatt, unelegant, unbeholfen
[5] den Vogel abschiessen: etwas besonders gut oder schlecht machen
[6] Geburtenabteilung: die Maternité
[7] gebären: ein Kind auf die Welt bringen
[8] Ausschau halten: suchen
[9] der Griess: eine Art Getreide
[10] der Ringfinger: der Finger, an dem der Ring steckt
[11] die Eigenschaft: Charakteristikum
[12] das Testosteron: männliches Sexualhormon