Ein Trichter und Pech - das ist das Pechtropfenexperiment, ein Versuch von umstrittenem wissenschaftlichen Nutzen. Praktisch nie passiert etwas, und wenn, dann ist es gleich wieder vorbei. So wie am 28. November 2000.
Gut Ding will Weile haben! Das dachte sich im Jahr 1927 Thomas Parnell, seines Zeichens Leiter des physikalischen Instituts an der Universität Brisbane, Australien. Er begann mit einem Versuch, der in die Geschichte eingehen sollte: als das am längsten dauernde wissenschaftliche Experiment aller Zeiten!
Ein Trichter, Pech, Zeit, Geduld
Gemeint ist das sogenannte Pechtropfenexperiment. Parnell, zu dessen Zeiten diese teerartige Substanz hauptsächlich zum Versiegeln von Schiffsrümpfen hergenommen wurde, wollte Eines zeigen: Pech ist auch bei Zimmertemperatur flüssig. Zwar nicht ganz so wie Wasser, Butter oder etwa Marmelade - nein, ein "wenig" zähflüssiger. Um es genauer zu sagen: ungefähr einhundert millionenfach zähflüssiger als Wasser!
Um das zu beweisen, brauchte er zweierlei. Erstens: Eine einfache Versuchsanordnung. Einen Trichter, in den er erhitztes Pech fließen ließ. Durch die kleine Öffnung des Trichters konnte es dann in ein darunter stehendes Gefäß tropfen. Zweitens benötigte er Zeit und Geduld. Um nicht zu sagen:
Viel Zeit und noch mehr Geduld. Denn bis er das Loch des Trichters öffnen konnte, musste das Pech erst mal wieder so hart wie bei Zimmertemperatur werden. Das dauerte drei Jahre. Doch 1930 war es dann soweit: Parnell öffnete den Trichter und: - nichts geschah! Zumindest nichts mit dem bloßen Auge Erkennbares. Denn es dauerte einige Zeit, bis der erste Tropfen sich bildete und fiel. Das geschah im Dezember 1938. Parnell jubelte! Auch den zweiten Tropfen, der 1947 fiel - zwanzig Jahre nach Beginn des Experiments - sollte Parnell noch erleben. Danach starb er.
Riesenpech!
Aber sein Experiment lebt weiter, bis heute. Und - was Parnell wirklich nicht ahnen konnte: Er wurde sogar dafür mit einem Nobelpreis ausgezeichnet! Zwar nicht mit dem in Stockholm verliehenen Nobelpreis, sondern mit dem sogenannten "Anti-Nobelpreis", der von der Harvard-Universität für besonders skurrile, unnütze - ja man möchte fast sagen "überflüssige" Forschung vergeben wird. Und die Webcam, die inzwischen in Brisbane installiert worden ist, verteidigt hartnäckig ihren Ruf als "langweiligste Webcam im Internet". Obwohl sich sogar ein echtes Drama abspielte: Beim letzten Tropfen, der am 28.November 2000 fiel, versagte die Webcam! Welch ein Pech! Inzwischen steht aber der Fall des nächsten Tropfens kurz bevor. Es könnte morgen - oder auch in zwei, drei Jahren so weit sein.