Zur Zeit der Tang-Dynastie von 618 bis 907 lebte ein Mann namens Chunyu Fen. Eines Tages saß er unter einem Huai-Baum auf der Südseite seines Hauses und trank selbstgebrannten Schnaps, und ehe er es sich versah, hatte er einen kleinen Schwips – und schlief ein. Da träumte ihm, dass der König des Baumreiches Huai ihm seine Tochter zur Frau gab und ihn mit der Verwaltung der Präfektur Südzweig betraute. Dieses Amt versah er zwanzig Jahre und genoss Reichtum und Ansehen in hohem Maße. Seine Gattin gebar ihm fünf Knaben und zwei Mädchen. Seine Söhne wurden hohe Beamte, und seine Töchter wurden mit einflussreichen und begüterten Adligen verheiratet. Als später Feinde das Land überfielen, führte er die Soldaten in die Schlacht. Die Schlacht endete aber mit einer Niederlage, und darauf hin entzog ihm der König Vertrauen, Amt und Würden und verstieß ihn von seinem Hof.
Als Chunyu Fen erwachte, stand die Abendsonne bereits tief im Westen. Auf dem Tisch stand das Schnapsglas. Da wusste er, das er nur geträumt hatte. Er überlegte nun, was es mit seinem Traum auf sich haben könnte, und schaute nach, ob an dem Huai- Baum nicht doch irgendetwas besonderes war. Anstelle des Baumkönigs fand er allerdings nur einen Ameisenhaufen unter dem Baum, und seine Präfektur Südzweig entpuppte sich als ein kleiner Zweig Richtung Süden, an dem auch nichts weiter bemerkenswert war, als dass der Zweig ein kleines Ameisenloch hatte.
Die Redewendung "Traum vom Südzweig" bedeutet auf deutsch also nicht anderes, als dass jemand einem Wunschtraum nachhängt, einem leeren Wahn, einer Illusion, und sich vergeblich gefreut hat. Also so ähnlich, wie das sprichwörtliche Luftschloss im Deutschen.