Bei Tao Yuanming handelt es sich um einen berühmten Literaten des alten Chinas. Seine Bekanntheit ist jedoch nicht nur auf seine Gedichte zurückzuführen, sondern auch auf seine Verachtung für persönlichen Wohlstand und das Streben nach Ruhm.
Tao Yuanming kam im Jahre 365 auf die Welt und gilt als der erste Verfasser bukolischer Dichtung in China. Zu jener Zeit wechselten die herrschenden Dynastien in schneller Folge und die Gesellschaft war von Unruhe erfüllt. Viele Menschen führten ein hartes Leben. Im Herbst des Jahres 405 nahm Tao Yuanming in Pengze das Amt des Kreisvorstehers an, um seine Familie ernähren zu können. Kurz darauf, im folgenden Winter, traf sein Vorgesetzter für eine Besichtigung in Pengze ein. Es handelte sich um einen ungebildeten und überheblichen Mann, der Tao Yuanming direkt nach seiner Ankunft zu sich zitierte. Trotz seiner Abneigung blieb Tao Yuanming nichts anderes übrig, als dem Befehl Folge zu leisten. Doch kurz bevor er aufbrach, wandte sich sein Schreiber mit einigen letzten Hinweisen an ihn: „Begebt Ihr Euch vor diesen Beamten, so müsst Ihr auf jedes noch so kleine Detail achten. Eure Kleidung muss ordentlich angelegt sein und Ihr solltet Euch bescheiden geben. Andernfalls wird er Euch vor den höheren Beamten verleumden."
Der stets aufrechte und auf Gerechtigkeit bedachte Tao Yuanming konnte sich nun nicht mehr zurückhalten und stieß einen Seufzer aus: „Lieber will ich vor Hunger sterben, als dass ich mir wegen des Beamtenlohns von fünf Scheffeln Reis für einen solch kümmerlichen Menschen den Buckel krumm mache." Ohne weiteres Zögern setzte er einen Kündigungsbrief auf, verließ seinen Beamtenposten nach nur 18 Tagen im Amt und sollte fortan nie wieder in der Verwaltung tätig sein.
Nach seinem Rücktritt zog sich Tao Yuanming in die Felder seiner Heimat zurück und führte ein selbstgenügsames und idyllisches Leben. Hier fand er jenen Ort, an den er schlussendlich gehörte, und hier schuf er unzählige idyllische Gedichte. In seinen Werken setzte er sich mit seinem einfachen Leben, seiner Arbeit sowie Freud und Leid auseinander.
Doch das idyllische Leben auf dem Lande hatte auch seine Schattenseiten. Seinen Lebensabend verbrachte Tao Yuanming in Armut. Besonders setzte ihm ein großes Feuer zu, welches seinen gesamten Besitz verschlang. Im Alter von 63 Jahren verstarb er schließlich in Elend und Krankheit.
In seinen Gedichten gelang es Tao Yuanming, seine persönlichen Erlebnisse und das Leben der Bauern auf dem Land mit seinem lyrischen Talent anzureichern. Selbst gewöhnliche Themen wie Maulbeeren, Hühner oder Hunde gewannen unter seinem Pinsel eine ungekannte Lebendigkeit. Die von ihm angefertigten Naturbeschreibungen riefen in den Herzen der Menschen eine tiefe Sehnsucht hervor.
Neben seinen Gedichten hinterließ Tao Yuanming auch zahlreiche Prosawerke, in denen er unter anderem eine phantastische, ideale Gesellschaft schilderte. Das Leben jener Menschen war frei von Turbulenzen, dem Wechsel der Dynastien oder auch der Zahlung von Steuern. Statt dessen lebte ein jeder Mensch in Frieden und Wohlstand.
Die Geschichte Tao Yuanmings, der sich nicht „für fünf Scheffel Reis den Buckel krumm machen will", entwickelte sich für die chinesischen Gelehrten zum Symbol der Aufrichtigkeit. Im alltäglichen Sprachgebrauch drückt man mit dieser Redewendung aus, dass man seine moralische Standhaftigkeit nicht für einen materiellen Profit aufopfern sollte.