Im Staat Chu lebte einmal ein Mann, der sich gerne mit Büchern über Zauberei abgab. Eines Tages las er, dass man sich mit einem Blatt, unter dem eine Gottesanbeterin ihrer Beute aufgelauert habe, unsichtbar machen könne, wenn man es sich vors Auge halte. Davon war er so beeindruckt, dass er sich nahen Wald auf die Suche begab. Bald entdeckte er wirklich eine Gottesanbeterin unter einem Blatt. Als er jedoch ergreifen wollte, fiel es ihm aus der Hand. Er konnte es unter den vielen Blättern, die bereits auf dem Boden lagen, nicht wieder herausfinden. Deshalb nahm er gleich alle Blätter mit nach Hause.
Dort wollte er sie nacheinander auf ihre Zauberkraft überprüfen, bis er das richtige herausgefunden hätte. Zu diesem Zweck nahm er ein Blatt nach dem anderen in die Hand, hielt es vor sein Auge und fragte jedes Mal seine Frau, ob sie ihn noch sehen könne. „Ja", erwiderte sie zunächst bei jedem Blatt wahrheitsgemäß. Endlich aber verlor sie die Geduld und sagte einfach „nein". Da war der Mann überglücklich. Er jubelte laut und war in Windseile auf und davon.
In einem Laden erprobte er noch einmal die Zauberkraft seines Blattes. Er hielt es sich vors Auge und stahl eine Birne. Doch er wurde auf frischer Tat ertappt und sogleich verhört. Als die Leute seine Geschichte hörten, verlachten sie ihn wegen seiner Unwissenheit und Gierigkeit.
Wenn ein einziges Blatt das Auge verdeckt – so fügt man auf Chinesisch zu- sieht man nicht einmal den Taishan-Berg. Damit meint man, dass man allzu oft den Blick auf das Große und eigentlich Wichtige verliert, wenn man von einer fixen Idee beherrscht wird.