EIN MUSEUM FÜR COMPUTERSPIELE
In Berlin gibt es ein Museum für Computerspiele. Es zeigt die Entwicklung der Spiele und ihrer Technik in den vergangenen Jahrzehnten. Die Besucher des Museums dürfen nicht nur gucken, sondern auch mitmachen: Viele der alten Spiele können sogar nur noch hier gespielt werden. Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene sind interessiert.
MANUSKRIPT ZUM VIDEO
SPRECHER:
Das Spiel "Pac Man" aus dem Jahr 1980 ... hier "Karate Champ" von 1984 … "Super Ma-rio Brothers" von 1988 … oder "Street Fighters" von 1991. Diese Computerspiele sind kei-ne Picassos oder Van Goghs – und trotzdem wurde ihnen ein Museum gewidmet.
ANDREAS LANGE (Kurator Computerspielemuseum):
Computerspiele sind Kultur, und sie sind eine der interessantesten kulturellen Erschei-nungen unserer Zeit. Seitdem es Computer gibt, gibt es Computerspiele. Sie sind sehr eng verbunden gewesen mit der Erfindung der Computer und sind für uns alle im Prinzip der erste Kontakt mit dieser so zentralen Technologie. Als kleine Kinder fängt man eben spielend an. Insofern prägen Computerspiele unsere Zeit und unsere Wahrnehmung der digitalen Medien. Und sie fordern uns zur Teilhabe auf, zum Mitmachen."
SPRECHER:
Andreas Lange ist Kurator des Computerspielemuseums in Berlin. Weltweit gibt es zehn Museen dieser Art. Die Sammlung in der deutschen Hauptstadt gilt als die größte in Eu-ropa. Vieles überrascht – wie der Nachbau der ersten elektronischen Rechenmaschine, die in Deutschland zum Einsatz kam und für das Spiel "Nimrod" der britischen Firma Fer-ranti genutzt wurde. Auf der Berliner Industrieausstellung 1951 faszinierte das sogenann-te "Elektronengehirn" schon den damaligen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard.
ANDREAS LANGE:
Das zeigt einfach, dass also von Anfang an Computer und Spiel doch sehr eng miteinan-der verbunden waren, aber natürlich auch ein bisschen diese mythologische Aufladung: Elektronengehirn, ein Computer, gegen den man spielt und meistens verliert, wenn man die Tricks nicht kennt.
SPRECHER:
Und die Tricks werden immer ausgefeilter. Das Museum zeigt die Entwicklung der Spiele und ihrer Technik in den vergangenen Jahrzehnten.
ANDREAS LANGE:
Natürlich hat sich die Computertechnik vor allen Dingen entwickelt. Und nehmen wir mal das Adventure-Spiel, das Adventure-Genre – das war am Anfang nur Text. Man hat das gelesen wie ein Buch und man musste die Eingaben tippen wie einen Text. Und dann kamen natürlich die ersten Grafiken dazu, und dann hat man zum Schluss nur noch quasi auch in 3-D-Welten sich dann bewegt. Das ist so der aktuelle Stand.
SPRECHER:
Das Museum lädt zum Mitmachen ein. Viele der alten Spiele können nur noch hier gespielt werden. 90 000 Besucher werden im ersten Jahr erwartet.
MANN 1:
Hier gefällt mir besonders gut, dass man endlich mal so 'nen richtigen historischen Über-blick hat über so ein Medium, was man ja eigentlich mehr als Freizeitbeschäftigung benutzt.
MANN 2:
Man fühlt sich sozusagen auch akzeptiert – dass Computerspiele nicht mehr, wie in den Medien oft dargestellt, so einen negativen Touch haben und inzwischen auch zur Histo-rie geworden sind.
SPRECHER:
Um ein Computerspiel überhaupt spielen zu können, benötigt man Hardware, also Com-puter oder Konsolen. Viele der hier ausgestellten sind inzwischen schon Klassiker des Produktdesigns. Auch die erste Spielekonsole der Welt von 1968 ist hier zu bestaunen. Die "Brown Box" ebnete den Weg für das Spiel im eigenen Heim – erfunden vom gebür-tigen Deutschen Ralph Baer, der in den USA etliche Spielepatente anmeldete.
ANDREAS LANGE:
Es ist gleich eine Industrie entstanden. Völlig neue Industrie und – ja, die Kinder wie aber auch die Erwachsenen – das kann man auch ganz schön sehen, dass es eigentlich gar nicht als Kinderspiel unbedingt eingestiegen ist, sondern man hat dann in den Handbü-chern, in den Werbeprospekten oft dann auch noch Erwachsene sitzen, die eben dann sich auch ein Gläschen Sekt in dem Prospekt zu eben ihrem Video- und Telespielabend aufmachen.
SPRECHER:
In West-Deutschland wurden Computerspiele schnell Allgemeingut und fester Bestand-teil der Unterhaltung. Man widmete dem neuen Medium sogar ganze Fernsehshows, wie hier die Show "Telespiele" aus dem Jahre 1977. Dagegen war das Computerspiel in der ehemaligen DDR Staatsangelegenheit und streng reglementiert. Poly-Play: der einzige Spieleautomat der DDR. Er wurde nur an regimetreue Gemeinschaftseinrichtungen abgegeben.
ANDREAS LANGE:
Im Osten war es ja so, dass durch das CoCom-Embargo keine Computertechnologie in den Ostblock geliefert werden konnte, d. h., die mussten sehr viel selber entwickeln und hatten insofern Interesse, sehr früh Kinder für den Computer zu begeistern, und haben dafür natürlich Computerspiele dafür eingesetzt, um frühzeitig Talente auch zu entdecken.
SPRECHER:
Und noch eine Entdeckung kann man beim Computerspiel machen – man muss nur ganz genau hinhören.
ANDREAS LANGE:
Die Sounds in Computerspielen sind ja quasi die erste Form von digitaler Musik. Und es gibt da enge Verbindungen hin zu Techno und zur elektronischen Musikszene. Viele der Protagonisten der heutigen Technoszene sind natürlich mit den Geräten auch aufge-wachsen und haben eine ganz direkte und enge Beziehung zu auch den Sounds und den Geräten.
SPRECHER:
Computerspiele sind zwar immer noch keine Picassos und Van Goghs. Aber bei ihrem Einfluss auf die heutige Zeit sind sie ganz sicher ausstellungswürdig.
GLOSSAR
etwas wird jemandem gewidmet – hier: etwas wird speziell für eine Sache/jemanden gemacht
Erscheinung, die – hier: das Phänomen; etwas, das das Leben in einer bestimmten Zeit besonders beeinflusst
Technologie, die – die Technik
etwas prägen – etwas beeinflussen
Wahrnehmung, die – die Art, wie man etwas sieht; das Erkennen mit den Sinnen
digitale Medien, die (Plural) – technische Geräte wie Computer oder Digitaltelefon
Teilhabe, die – die Tatsache, dass man dazugehört
Kurator/in, der/die – der/die Verantwortliche; der/die Leiter/in
Sammlung, die – hier: die Ausstellung
Nachbau, der – ein Gegenstand, der so aussehen soll wie das Original
Rechenmaschine, die – Maschine, mit der man mathematische Aufgaben lösen kann
etwas kommt zum Einsatz – etwas wird benutzt
etwas fasziniert jemanden – etwas hat eine besondere Wirkung auf jemanden
mythologische Aufladung, die – das geheimnisvolle, spannende Gefühl, das durch et-was vermittelt wird
Trick, der – hier: die schlaue Lösung; ein bestimmter Lösungsweg, der nicht sofort zu er-kennen ist
ausgefeilt – schlau; durchdacht
Adventure, das (aus dem Englischen) – das Abenteuer; das spannende Erlebnis
Genre, das (aus dem Französischen) – eine bestimmte Art von etwas (besonders Kunst-werke)
Eingabe, die – hier: der Befehl/die Mitteilung an den Computer
Grafik, die – hier: ein Bild, das am Computer gemacht und betrachtet wird
3-D – Abkürzung für: dreidimensional; räumlich
aktuelle Stand, der – die Situation von heute
historische Überblick, der – die Übersicht über die geschichtliche Entwicklung
etwas akzeptieren – etwas als etwas "Normales" sehen; mit etwas einverstanden sein
einen negativen Touch haben (aus dem Englischen) – umgangssprachlich: als etwas Schlechtes gesehen werden
zur Historie werden – auch nach langer Zeit noch sehr bekannt sein
Hardware, die (aus dem Englischen) – die Geräte, aus denen ein Computer besteht
Konsole, die – hier: ein Gerät, mit dem man Computerspiele spielt
Klassiker, der – etwas, das auch nach langer Zeit noch bekannt und beliebt ist
Produktdesign, das (aus dem Englischen) – das Aussehen eines Produkts
den Weg ebnen – den Weg freimachen; etwas ermöglichen
gebürtige Deutsche, der/die – die in Deutschland geborene Person
Patent, das – das Schützen einer Erfindung durch Anmeldung in einer offiziellen, staatli-chen Liste
einsteigen – hier: anfangen, beginnen
Handbuch, das – ein Buch, in dem Informationen zu einem bestimmten Thema zusam-mengefasst sind
Telespiel, das – altes Wort für: das Spiel, das man über einen Fernseher spielt
Allgemeingut, das – ein fester Teil einer Gesellschaft
DDR, die – Abkürzung für: Deutsche Demokratische Republik (1949-1990)
Staatsangelegenheit, die – etwas, über das der Staat bestimmt
etwas reglementieren – etwas stark regeln
Regimetreue, die – die absolute Treue/Loyalität zur Regierung
Gemeinschaftseinrichtung, die – eine öffentliche Institution, die von allen genutzt wer-den kann
CoCom-Embargo, das – das Abkommen westlicher Länder, nach dem die Staaten des → Ostblocks keinen Zugang zu Kriegsmaterialien und modernen Technologien bekommen durften (1949 – 1994)
Ostblock, der – die frühere Sowjetunion und die von ihr abhängigen Staaten Osteuropas
jemanden für etwas begeistern – jemanden für etwas interessieren und ihm großen Spaß machen
Talent, das – die besondere Fähigkeit
Sound, der (aus dem Englischen) – der Ton; hier: die Musik
Techno, der – eine Stilrichtung der elektronischen Musik
Szene, die – hier: ein bestimmter Bereich des kulturellen Lebens
Protagonist/in, der/die – hier: die bekannte Person
ausstellungswürdig – so, dass etwas es wert ist, in einer Ausstellung gezeigt zu werden