Herr Meister: Syrakus war eine Republik, aber Dionys hatte sich zum König gemacht; darum wollte Damon ihn töten und ging mit einem Dolche in den Palast des Königs. Aber des Königs Männer sahen ihn und brachten ihn gebunden (binden, gebunden) vor den König. Der König sprach: »Du mußt sterben.« »So will ich sterben,« sagte Damon. »Ich mag nicht leben unter einem König, ich mag nicht leben in einer Monarchie. Frei will ich leben und frei sterben. Doch, — ich bitte dich, o König, gieb mir nur drei Tage Zeit zum Leben, daß ich erst für meine Schwester sorgen und ihr einen Gatten (= Mann) geben kann. Ich komme wieder nach drei Tagen. Mein Freund wird dir so lange bleiben.« Der König aber dachte eine Weile, lächelte und sprach: »Drei Tage will ich dir Freiheit geben und Leben, so du den Freund mir bringst. Doch kommst du nicht wieder zur Zeit, dann muß der Freund für dich sterben, — du aber gehst frei.«
Damon kam zum Freunde und sagte ihm alles und fragte ihn dann: »Willst du, o Freund, für mich zum König gehen und bleiben bis ich wieder komme?« Und der Freund sprach kein Wort, umarmte ihn und ging zum Könige. Damon aber ging zur Schwester und sorgte für sie.
Und am dritten Morgen, früh, ging Damon vom Hause der Schwester auf den Weg nach Syrakus. Aber es hatte lange geregnet (es regnet, es regnete, es hat geregnet), und es regnete noch immer, und der Regen wurde stärker und stärker (stark, stärker). So kam Damon an den Strom, aber das Wasser war wild und stark und hatte die Brücke hinweggerissen, und da war auch kein Schiffer, und da war kein Boot, ihn über das Wasser zu bringen. Und auf und ab ging er am Ufer und rief laut nach einem Schiffer. Aber kein Schiffer kam. Da sank (ich sinke, ich sank, ich bin gesunken) er auf die Kniee und rief zu seinem Gott: »O, sende mir Hilfe, sende mir Hilfe, mein Gott! Es ist ja schon Mittag, und wenn die Sonne niedergeht und ich bin nicht in der Stadt, so muß der teure, teure Freund für mich sterben.« Aber Hilfe kam nicht, der Strom ward wilder. Damon denkt an den Freund und springt in den Strom und schwimmt und kommt an das andere Ufer und eilt weiter und dankt Gott und kommt in einen dunklen Wald. Da kamen Räuber auf ihn zu. Er aber tötet (Tod, tötet) drei von ihnen mit einem Schlage. Das sehen die anderen, fürchten sich und rennen fort.
Damon aber kann nicht mehr stehen, er sinkt zur Erde vor Durst, denn die Sonne schien (scheinen, schien) heiß. Und wieder betete er zu Gott: »O, Gott! Du hast mich gerettet aus den Händen der Räuber, du hast mich gerettet aus dem wilden Strome! Soll ich hier nun sterben vor Durst?« Aber da hörte er nahe bei sich Wasser rinnen aus einer Quelle. Er trinkt, er wird frisch und eilt weiter.
Nun ist es spät am Tage. Zwei Männer sieht er. Die kommen von Syrakus, und er hörte sie sagen: »Jetzt schlagen sie ihn ans Kreuz.« Sie sprachen von seinem Freunde, und er eilte noch mehr, — weiter, weiter. Es ist Abend, und da ist er vor der Stadt. Da kommt sein Diener und ruft: »Zurück, Herr! du kommst zu spät. Soeben (= in dieser Minute) töten sie deinen Freund. Der König hatte den Freund verlacht, aber der Freund wußte, du würdest kommen.« Da rief Damon: »Und ist es zu spät, und kann ich den Freund nicht mehr retten, so will ich mit ihm sterben!«
So ruft er und eilt in die Stadt. Da will man eben den Freund ans Kreuz schlagen. Damon aber ruft: »Haltet! Haltet! Hier bin ich; ich, Damon, bin hier. Hier bin ich!«
Die beiden Freunde umarmen sich und weinen vor Freude und vor Schmerzen (= Leid); und die Tausende von Menschen, sie alle, die da stehen, sie weinen. Und der König hört das Wunderbare, und man führt (= bringt) die beiden Freunde vor ihn. Er sieht (ich sehe, er sieht) sie lange, lange an. Dann sagt er: »Ich sehe, — ja, ich sehe — es giebt (= es sind) Freunde in der Welt. Ich bitte euch, nehmet auch mich zu eurem Freunde!«
Louis: Ist das das Ende?
Bella: Herr Meister, das ist sehr, sehr schön.
Anna: Ja, das ist schön.
Louis: Damon war ein guter Mensch.
Otto: Und sein Freund auch.
Herr Meister: Ich freue mich, daß Ihnen »die Bürgschaft« gefällt. Sie werden noch viel, viel schönes in Ihren Büchern finden. Lesen Sie, meine Freunde, lesen Sie! So, nun muß ich Ihnen auf lange Zeit Adieu sagen. Leben Sie wohl, meine Freunde!
Otto: Leben Sie wohl, Herr Meister!
Louis: Leben Sie wohl!
Anna: Adieu, Herr Meister!