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Lebenslauf der Scheere.-3

时间:2024-04-02来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: Lebenslauf der Scheere

So redeten die Scheere und das Federmesser von dem Augenblick ab kein Wort mehr mit einander, und wenn die Scheere nach der Ursache dieser Feindschaft gefragt wurde, antwortete sie, das Federmesser sei verwegen genug gewesen, das Auge zu ihr zu erheben, und da sie ihm einen Korb habe geben müssen, so seien sie böse auf einander geworden. Die Scheere hätte über diesen kitzlichen Punkt auch wohl lieber schweigen können, aber sie war ja ein Frauenzimmer.

 

Als das Quartal zu Ende ging, konnte die Nähterin ihre Miethe nicht bezahlen, mußte über Hals und Kopf ausziehen, und der Hauswirth nahm ihre Sachen in Beschlag, unter diesen auch die kleine Scheere, die nun in die rauhen Hände einer Schlosserfrau wanderte, an welche sie verschenkt wurde. Diese Frau hatte viele Kinder, die immer mit der hübschen Scheere spielten und ihr endlich beide Ringe abbrachen. Der Schlosser wußte indeß zu helfen und machte ihr ein paar Ringe von Draht, so daß sie wenigstens noch zu gebrauchen war.

 

– Das ist das Loos des Schönen! Jetzt ist mein ganzer Stolz dahin! seufzte die Scheere und weinte; ich glaube nicht, daß ich dies lange überleben werde!

 

Aber man stirbt doch nicht immer sogleich vom Gram. Die Scheere lebte noch weiter und hatte sie keine Elfenbeinringe mehr, so prahlte sie doch damit, daß sie welche gehabt hatte, und erzählte einer knöchernen Nadelbüchse alle Tage von den vielen Eroberungen, die sie gemacht, von dem unglücklichen jungen Samedi, dem Stickpfriem und dem Federmesser, von welchem letzteren sie der Nadelbüchse vorlog, es habe sich aus unglücklicher Liebe zu ihr vergiftet.

 

– Man muß nicht Alles glauben, was die Leute prahlen! sagte die Nadelbüchse zum Troste für sich selbst, denn um sie hatte sich noch nie Jemand ein Leid's angethan.

 

Eines Tages nun hatten die Kinder draußen vor der Hausthür mit der Scheere gespielt und ließen sie auf der Straße liegen. Ein Mädchen kam vorbei, nahm sie mit und brachte sie ihren Eltern. So kam die Scheere in das Haus eines Sattlers.

 

– Wie ordinär es hier nach Leder riecht! sagte die Scheere, als sie in der Arbeitsstube des Sattlers neben mehren Werkzeugen lag. Diesen Geruch ertrage ich nicht, meine Nerven sind für eine solche Atmosphäre viel zu fein!

 

– Nur nicht so zimperlich, Fräulein Scheere! rief eine kleine Zange neben ihr; wirst's schon gewohnt werden, und so fein siehst Du mir auch eben nicht aus, daß Du etwas Besseres wärest als wir Andern!

 

– O ja, ich bin aus sehr vornehmem Hause! Gott, wenn meine Freundin, die Gräfin, wüßte, daß ich hier bin! – – – Uebrigens habe ich gar nicht die Ehre, Sie zu kennen, antwortete die Scheere, sich umdrehend. – – – Das ist gar kein Umgang für eine gebildete Scheere, wie Du bist! sagte sie zu sich selbst; die Zangen haben immer ein so böses Maul!

 

Da erblickte sie auf ihrer andren Seite eine Sattlerahle, die ein ganz neues Heft hatte. Sie wollte ihren Augen nicht trauen, als sie in derselben den ehemaligen Stickpfriem erkannte.

 

– Gott, wie ist der Arme heruntergekommen! sagte sie für sich – – – – Aber ist's denn möglich, sind Sie noch am Leben? Sie glauben nicht, wie mich das freut! rief sie dem ehemaligen Stickpfriem zu. So können wir ja jetzt unsere alte Bekanntschaft erneuern!

 

Aber der ehemalige Stickpfriem erkannte sie nicht mehr oder wollte sie nicht mehr kennen; er war nämlich seit jener unglücklichen Geschichte ganz tiefsinnig geworden und jedesmal wenn er ein Stück Leder vor sich sah, bohrte er sich tief hinein aus reinem Lebensüberdruß. So war er denn dem Leder recht gefährlich.

 

Die Scheere dachte nun bei sich: im Grunde sieht er doch noch ganz reputirlich aus; vielleicht könnte doch noch ein Paar aus uns werden! – Sie ließ sich dies auch ganz gut merken, er aber haßte Alles, was ihn umgab, und von der Scheere wollte er erst recht nichts wissen. Ja, die Letztere vergaß sich in ihrer Heirathssucht, um nur an den Mann zu kommen, so weit, daß sie ihm ganz unzweideutige Anerbietungen machte, und daß die Zange sich genöthigt sah, ihren Mund aufzuthun und den übrigen Werkzeugen zu erzählen, ein solches Frauenzimmer sei ihr noch gar nicht vorgekommen, man müsse auf seinen Ruf bedacht sein und sich ja nicht mit ihr abgeben, denn sie habe dem ehemaligen Stickpfriem Heirathsanträge gemacht, vor denen jedes sittsame Frauenzimmer erröthen müsse.

 

So kam es denn, daß Keiner mit ihr umgehen wollte und die Scheere immer allein blieb. Einmal wurde ihr aber doch die Zeit lang, sie mischte sich unter die Andern, wurde von diesen jedoch so gedrängt und gestoßen, daß sie auf die Erde fiel und ihre eine Spitze brach.

 

– Das ist mein Letztes! rief die Scheere, vor Schmerz laut aufschreiend. Schickt nur schnell nach dem Doctor, sonst bin ich gar nicht mehr zu heilen!

 

– Bring' das schlechte Ding auf den Boden und wirf es zu dem alten Eisen! sagte die Sattlerfrau, ihrer Tochter die Scheere gebend. Diese trug sie auf den Boden und warf sie in einen Kasten, in welchem lauter alte verrostete eiserne Werkzeuge lagen.

 

– Die müssen hier alle von recht altem Adel sein, sagte die Scheere, sich in dem großen, offenen Kasten umschauend; sie sehen alle so ehrwürdig verrostet aus!

 

Mit diesem Gedanken tröstete sich die Scheere und fing alsbald an, ihren Nachbarn, alten verrosteten Nägeln, Feilen und Haken, von ihren früheren Eroberungen zu erzählen. Die aber waren alle sehr mürrisch und sprachen Tage lang kein Wort. Endlich wurde auch die Scheere immer stiller, denn es regnete durch das Dach in den offenen Kasten, und als sie sich eines Morgens besah, war sie über und über voll Rostflecken.

 

– Ich glaube, ich fange auch schon an, alt zu werden, sagte die Scheere zu sich; es wird wohl Zeit, daß ich mich mit höheren Dingen beschäftige! –

 

Und da wurde denn die Scheere fromm und sprach den ganzen Tag hindurch von nichts als vom ewigen Himmelreich. – 
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