Nun sahen die Leute, daß da in allem Ernst Wunder geschähen, und sofort wälzte sich die Kunde davon weiter über den Marktplatz und durch die Stadt, und die Menschen bildeten schnell einen riesigen Klumpen rings um die Bude des Spiegelhändlers. Viele lachten noch und machten Witze, andre glaubten nichts und redeten mißtrauisch. Viele aber waren schon vom Wunschfieber befallen und kamen mit glühenden Augen und mit heißen Gesichtern gelaufen, die von Begierde und Sorge verzerrt waren, denn jeder fürchtete, der Quell möchte versiegen, noch ehe er selber zum Schöpfen käme. Knaben wünschten sich Kuchen, Armbrüste, Hunde, Säcke voll Nüsse, Bücher und Kegelspiele; Mädchen gingen beglückt mit neuen Kleidern, Bändern, Handschuhen und Sonnenschirmen davon. Ein zehnjähriger kleiner Junge aber, der seiner Großmutter davongelaufen und vor lauter Herrlichkeit und Jahrmarktsglanz aus Rand und Band gekommen war, der wünschte sich mit heller Stimme ein lebendiges Pferdchen, es müsse aber ein schwarzes sein; und alsbald wieherte hinter ihm ein schwarzes Füllen und rieb den Kopf vertraulich an seiner Schulter.
Durch die vom Zauber ganz berauschte Menge zwängte sich darauf ein ältlicher Junggeselle mit einem Spazierstock in der Hand, der trat zitternd vor und konnte vor Aufregung kaum ein Wort über die Lippen bringen.
„Ich wünsche,“ sagte er stammelnd, „ich wü–ünsche mir zweimalhundert – –“
Da sah ihn der Fremde prüfend an, zog einen ledernen Beutel aus seiner Tasche und hielt ihn dem erregten Männlein vor die Augen. „Wartet noch!“ sagte er. „Habt Ihr nicht etwa diesen Geldbeutel verloren? Es ist ein halber Taler drin.“
„Ja, das hab’ ich,“ rief der Junggeselle. „Der ist mein.“
„Wollt Ihr ihn wiederhaben?“
„Ja, ja, gebt her!“
Da bekam er seinen Beutel, und damit hatte er seinen Wunsch vertan, und als er das begriff, hieb er voll Wut mit seinem Stock nach dem Fremden, traf ihn aber nicht und schlug bloß einen Spiegel herunter; und das Scherbenklingen war noch nicht verrasselt, da stand schon der Händler und verlangte Geld, und der Junggeselle mußte bezahlen.
Jetzt aber trat ein feister Hausbesitzer vor und tat einen Kapitalwunsch, nämlich um ein neues Dach auf sein Haus. Da glänzte es ihm schon mit nagelneuen Ziegeln und weißgekalkten Schornsteinen aus seiner Gasse entgegen. Da wurden alle aufs neue unruhig, und ihre Wünsche stiegen höher, und bald sah man einen, der schämte sich nicht und wünschte in aller Bescheidenheit ein neues vierstöckiges Haus am Marktplatz, und eine Viertelstunde später lag er schon überm Sims zum eignen Fenster heraus und sah sich von dort den Jahrmarkt an.