Plötzlich sah er es in seiner Nähe so hell und blendend aufblinken, als wäre aller Sonnenschein auf diesen einzigen Fleck zusammengezogen, und als er näher ging, war es ein großer Spiegel, der in einer Meßbude hing, und neben dem Spiegel hingen andre Spiegel, zehn und hundert und noch mehr, große und kleine, viereckige, runde und ovale, Spiegel zum Aufhängen und zum Aufstellen, auch Handspiegel und kleine, dünne Taschenspiegel, die man bei sich tragen konnte, damit man sein eignes Gesicht nicht vergesse. Der Händler stand und fing in einem blitzenden Handspiegel die Sonne auf und ließ den funkelnden Widerschein über seine Bude tanzen; dazu rief er unermüdlich: „Spiegel, meine Herrschaften, hier kauft man Spiegel! Die besten Spiegel, die billigsten Spiegel von Faldum! Spiegel, meine Damen, herrliche Spiegel! Blicken Sie nur hinein, alles echt, alles bester Kristall!“
Bei der Spiegelbude blieb der Fremde stehen, wie einer, der gefunden hat, was er suchte. Unter den Leuten, die sich die Spiegel besahen, waren drei junge Mädchen vom Lande; neben diese stellte er sich und schaute ihnen zu. Es waren frische, gesunde Bauernmädchen, nicht schön und nicht häßlich, in starkgesohlten Schuhen und weißen Strümpfen, mit blonden, etwas sonngebleichten Zöpfen und eifrigen jungen Augen. Jede von den dreien hatte einen Spiegel zur Hand genommen, doch keine von den großen und teuren, und indem sie den Kauf noch zögernd überlegten und die holde Qual des Wählens kosteten, blickte jede zwischenein verloren und träumerisch in die blanke Spiegeltiefe und betrachtete ihr Bild, den Mund und die Augen, den kleinen Schmuck am Halse, die paar Sommersprossen über der Nase, den glatten Scheitel, das rosige Ohr. Darüber wurden sie still und ernsthaft; der Fremde, welcher hinter den Mädchen stand, sah ihre Bilder großäugig und beinah feierlich aus den drei Gläsern blicken.
„Ach,“ hörte er die erste sagen, „ich wollte, ich hätte ganz goldrotes Haar und so lang, daß es mir bis an die Knie reichte!“
Das zweite Mädchen, als es den Wunsch der Freundin hörte, seufzte leise auf und blickte inniger in ihren Spiegel. Dann gestand auch sie mit Erröten, wovon ihr Herz träumte, und sagte schüchtern: „Ich, wenn ich wünschen dürfte, ich möchte die allerschönsten Hände haben, ganz weiß und zart, mit langen, schmalen Fingern und rosigen Fingernägeln.“ Sie blickte dabei auf ihre Hand, die den ovalen Spiegel hielt. Die Hand war nicht häßlich, aber sie war ein wenig kurz und breit und von der Arbeit grob und hart geworden.
Die dritte, die kleinste und vergnügteste von allen dreien, lachte dazu und rief lustig: „Das ist kein übler Wunsch. Aber weißt du, auf die Hände kommt es nicht so sehr an. Mir wäre es am liebsten, wenn ich von heut an die beste und flinkste Tänzerin vom ganzen Land Faldum wäre.“
Da erschrak das Mädchen plötzlich und drehte sich um, denn aus dem Spiegel blickte hinter ihrem eignen Gesicht hervor ein fremdes mit schwarzen, glänzenden Augen. Es war das Gesicht des fremden Mannes, der hinter sie getreten war und den sie alle drei bisher gar nicht beachtet hatten. Jetzt sahen sie ihm verwundert ins Gesicht, als er ihnen zunickte und sagte: „Da habt ihr ja drei schöne Wünsche getan, ihr Jungfern. Ist’s euch auch richtig ernst damit?“