Wer da am Wege wohnte und nicht selber heute nach dem Jahrmarkt unterwegs war, der hatte einen unterhaltsamen Morgen und beständig beide Augen voll zu schauen. Es waren aber wenige. Auf einer Gartentreppe saß ein zehnjähriger Junge und weinte, weil er allein bei der Großmutter daheim bleiben sollte. Als er aber genug gesessen und geweint hatte und gerade ein paar Dorfbuben vorübertraben sah, da sprang er mit einem Satz auf die Straße und schloß sich ihnen an. Nicht weit davon wohnte ein alter Junggeselle, der nichts vom Jahrmarkt wissen wollte, weil das Geld ihn reute. Er hatte sich vorgenommen, am heutigen Tage, wo alles feierte, ganz still für sich die hohe Weißdornhecke an seinem Garten zu beschneiden, denn sie hatte es nötig, und er war auch, kaum daß der Morgentau ein wenig vergangen war, mit seiner großen Hagschere munter ans Werk gegangen. Aber schon nach einer kleinen Stunde hatte er wieder aufgehört und sich zornig ins Haus verkrochen, denn es war kein Bursch vorübergegangen oder -gefahren, der nicht dem Heckenschneiden verwundert zugesehen und dem Manne einen Witz über seinen unzeitigen Fleiß zugeworfen hatte, und die Mädchen hatten dazu gelacht; und wenn er wütend wurde und mit seiner langen Schere drohte, dann hatte alles die Hüte geschwenkt und ihm lachend zugewinkt. Nun saß er drinnen hinter geschlossenen Läden, äugte aber neidisch durch die Spalten hinaus, und als sein Zorn mit der Zeit vergangen war und er die letzten spärlichen Marktgänger vorübereilen und -hasten sah, als ginge es um die Seligkeit, da zog er Stiefel an, tat einen Taler in den Beutel, nahm den Stock und wollte gehen. Da fiel ihm schnell ein, ein Taler sei doch viel Geld; er nahm ihn wieder heraus, tat statt seiner einen halben Taler in den ledernen Beutel und schnürte ihn zu. Dann steckte er den Beutel in die Tasche, verschloß das Haus und die Gartentür und lief so hurtig, daß er bis zur Stadt noch manchen Fußgänger und sogar zwei Wagen überholte.
Fort war er, und sein Haus und Garten standen leer, und der Staub über der Straße begann sich sacht zu legen, Pferdegetrab und Blechmusiken waren verklungen und verflogen, schon kamen die Sperlinge von den Stoppelfeldern herüber, badeten sich im weißen Staub und besahen, was von dem Tumult übriggeblieben war. Die Straße lag leer und tot und heiß, ganz aus der Ferne wehte zuweilen noch schwach und verloren ein Jauchzer und ein Ton wie von Hörnermusik.
Da kam aus dem Walde hervor ein Mann gegangen, den breiten Hutrand tief über die Augen gezogen, und wanderte ganz ohne Eile allein auf der verödeten Landstraße fort. Er war groß gewachsen und hatte den festen, ruhigen Schritt, wie ihn Wanderer haben, welche sehr viel zu Fuß gereist sind. Gekleidet war er grau und unscheinbar, und aus dem Hutschatten blickten seine Augen sorgfältig und ruhig wie die Augen eines Menschen, der weiter nichts von der Welt begehrt, aber jedes Ding mit Aufmerksamkeit betrachtet und keins übersieht. Er sah alles, er sah die unzähligen verwirrten Wagenspuren dahinlaufen, er sah die Hufspuren eines Rosses, das den linken Hinterhuf nachgeschleift hatte, er sah in der Ferne aus einem staubigen Dunst klein mit schimmernden Dächern die Stadt Faldum am Hügel ragen, er sah in einem Garten eine kleine alte Frau voll Angst und Not umherirren und hörte sie nach jemand rufen, der nicht Antwort gab. Er sah am Wegrand einen winzigen metallglanz zucken und bückte sich und hob eine blanke runde Messingscheibe auf, die ein Pferd vom Kummet verloren hatte. Die steckte er zu sich. Und dann sah er an der Straße einen alten Hag von Weißdorn, der war ein paar Schritt weit frisch beschnitten, und zu Anfang schien die Arbeit genau und sauber und mit Lust getan, mit jedem halben Schritt aber schlechter, denn bald war ein Schnitt zu tief gegangen, bald standen vergessene Zweige borstig und stachlig heraus. Weiterhin fand der Fremde auf der Straße eine Kinderpuppe liegen, über deren Kopf ein Wagenrad gegangen sein mußte, und ein Stück Roggenbrot, das noch von der weggeschmolzenen Butter glänzte; und zuletzt fand er einen starken ledernen Beutel, in dem stak ein halber Taler. Die Puppe lehnte er am Straßenrande gegen einen Prellstein, das Stück Brot verkrümelte er und fütterte es den Sperlingen, den Beutel mit dem halben Taler steckte er in die Tasche.