„Ich bin ein Fremder,“ sagte der Bote.
„Dann ist es ein Traum gewesen,“ sagte leise der König. „Du erinnerst mich an meine Mutter. Sprich zu mir. Erzähle mir.“
Der Jüngling begann: „Ein Vogel hat mich hergebracht. In meinem Lande war ein Erdbeben, da wollten wir unsre Toten bestatten, und keine Blumen waren da.“
„Keine Blumen?“ sagte der König.
„Nein, gar keine Blumen mehr. Und nicht wahr, es ist doch schlimm, wenn man einen Toten bestatten soll und kann ihm kein Blumenfest feiern; denn er soll doch in Pracht und Freuden zu seiner Verwandlung eingehen.“
Da fiel dem Boten plötzlich ein, wie viele noch nicht bestattete Tote draußen auf dem schrecklichen Felde lagen, und er hielt inne, und der König sah ihn an und nickte und seufzte schwer.
„Ich wollte zu unserm König gehen und ihn um viele Blumen bitten,“ fuhr der Bote fort, „aber als ich im Tempel auf dem Gebirge war, da kam der große Vogel und sagte, er wolle mich zum König bringen, und er brachte mich durch die Lüfte zu dir. O lieber König, es war der Tempel einer unbekannten Gottheit, auf dessen Dach der Vogel saß, und ein höchst seltsames Sinnbild hatte dieser Gott auf seinem Steine stehen: ein Herz, und an dem Herzen fraß ein wilder Vogel. Mit jenem großen Vogel aber hatte ich in der Nacht ein Gespräch, und erst jetzt kann ich seine Worte verstehen, denn er sagte, es gebe viel, viel mehr Leid und Schlimmes in der Welt, als ich wüßte. Und nun bin ich hier und bin über das große Feld her gekommen und habe in diesen Stunden unendliches Leid und Unglück gesehen, ach, viel mehr, als in unseren grausigsten Märchen steht. Da bin ich zu dir gekommen, o König, und ich möchte dich fragen, ob ich dir irgendeinen Dienst erweisen kann.“
Der König, welcher aufmerksam zugehört hatte, versuchte zu lächeln, aber sein schönes Gesicht war so ernst und so bitter traurig, daß er nicht lächeln konnte.
„Ich danke dir,“ sagte er, „du kannst mir keinen Dienst erweisen. Du hast mich an meine Mutter erinnert, dafür danke ich dir.“
Der Jüngling war betrübt darüber, daß der König nicht lächeln konnte. „Du bist so traurig,“ sagte er zu ihm, „ist das wegen dieses Krieges?“