Bald aber war die Mutter wieder gesund und stark und konnte für sich und den kleinen Augustus selber sorgen, und da kam ihr der Gedanke, daß nun der Sohn getauft werden müsse und daß sie keinen Paten für ihn habe. Da ging sie gegen Abend, als es dämmerte und aus dem Nachbarhäuschen wieder die süße Musik klang, zu dem Herrn Binßwanger hinüber. Sie klopfte schüchtern an die dunkle Türe, da rief er freundlich „Herein!“ und kam ihr entgegen, die Musik aber war plötzlich zu Ende, und im Zimmer stand eine kleine alte Tischlampe vor einem Buch, und alles war wie bei andern Leuten.
„Ich bin zu Euch gekommen,“ sagte Frau Elisabeth, „um Euch zu danken, weil Ihr mir die gute Frau geschickt habet. Ich will sie auch gerne bezahlen, wenn ich nur erst wieder arbeiten und etwas verdienen kann. Aber jetzt habe ich eine andere Sorge. Der Bub muß getauft werden und soll Augustus heißen, wie sein Vater geheißen hat; aber ich kenne niemand und weiß keinen Paten für ihn.“
„Ja, das habe ich auch gedacht,“ sagte der Nachbar und strich an seinem grauen Bart herunter. „Es wäre schon gut, wenn er einen guten und reichen Paten bekäme, der für ihn sorgen kann, wenn es Euch einmal schlecht gehen sollte. Aber ich bin auch nur ein alter, einsamer Mann und habe wenig Freunde, darum kann ich Euch niemand raten, wenn Ihr nicht etwa mich selber zum Paten nehmen wollet.“
Darüber war die arme Mutter froh und dankte dem kleinen Mann und nahm ihn zum Paten. Am nächsten Sonntag trugen sie den Kleinen in die Kirche und ließen ihn taufen, und dabei erschien auch die alte Frau wieder und schenkte ihm einen Taler, und als die Mutter das nicht annehmen wollte, da sagte die alte Frau: „Nehmet nur, ich bin alt und habe, was ich brauche. Vielleicht bringt ihm der Taler Glück. Dem Herrn Binßwanger habe ich gern einmal einen Gefallen getan, wir sind alte Freunde.“
Da gingen sie miteinander heim, und Frau Elisabeth kochte für ihre Gäste Kaffee, und der Nachbar hatte einen Kuchen mitgebracht, daß es ein richtiger Taufschmaus wurde. Als sie aber getrunken und gegessen hatten und das Kindlein längst eingeschlafen war, da sagte Herr Binßwanger bescheiden: „Jetzt bin ich also der Pate des kleinen Augustus und möchte ihm gern ein Königsschloß und einen Sack voll Goldstücke schenken, aber das habe ich nicht, ich kann ihm nur einen Taler neben den der Frau Gevatterin legen. Indessen, was ich für ihn tun kann, das soll geschehen. Frau Elisabeth, Ihr habt Eurem Buben gewiß schon viel Schönes und Gutes gewünscht. Besinnt Euch jetzt, was Euch das Beste für ihn zu sein scheint, so will ich dafür sorgen, daß es wahr werde. Ihr habet einen Wunsch für Euren Jungen frei, welchen Ihr wollet, aber nur einen, überlegt Euch den wohl, und wenn Ihr heut abend meine kleine Spieldose spielen höret, dann müßt Ihr den Wunsch Eurem Kleinen ins linke Ohr sagen, so wird er in Erfüllung gehen.“
Damit nahm er schnell Abschied, und die Gevatterin ging mit ihm weg, und Frau Elisabeth blieb allein und ganz verwundert zurück, und wenn die beiden Taler nicht in der Wiege gelegen und der Kuchen auf dem Tisch gestanden wäre, so hätte sie alles für einen Traum gehalten. Da setzte sie sich neben die Wiege und wiegte ihr Kind und sann und dachte sich schöne Wünsche aus.