Reval, welches darum das jungfräuliche heißt, weil kein Feind es jemals bezwungen hat, war einst einen ganzen Sommer hindurch von einem feindlichen Heere umzingelt. Obgleich nun die rings um die Stadt laufenden Mauern und Schanzen stark genug waren, den Feind abzuwehren, so kam es doch mit der Zeit dahin, daß der Hunger die Bewohner quälte und daß bei der von Tage zu Tage wachsenden Noth die Schwächeren schon verzweifeln wollten. In dieser Bedrängniß wurde wieder ein Pahlen ihr Retter. Listiger Weise ließ er, als wollte er den hungernden Bewohnern der Stadt Proviant zuführen, eine Frachtfuhre vom Laaksberge her in die Nähe des feindlichen Lagers abgehen, wo denn die mit Lebensmitteln und Bier beladenen Wagen sofort festgehalten wurden. Im Lager aber herrschte nicht viel weniger Mangel als in der Stadt, weswegen die Kriegsleute sich wie hungrige Wölfe auf den Proviant stürzten, so daß Niemand Zeit hatte auf die Stadt viel Acht zu geben. Diesen kurzen Zwischenraum suchte nun der Herr von Pahlen zur Rettung der Stadt zu benutzen.[S 175] Er ließ zur See einen gemästeten Ochsen nebst einigen Scheffeln Malz heimlich in die Stadt bringen. Die Einwohner brauten nun alsbald frisches Bier, brachten zur Nachtzeit große Kufen auf die Stadtwälle, kehrten sie um und gossen das gährende Bier darauf, so daß der Schaum über die Ränder floß. Dann wurde der Stier auf den Wall gelassen, der brüllend umher lief und mit den Hörnern die Erde aufwarf. Als nun die Feinde die schäumenden Bierfässer und den gemästeten Ochsen gewahr wurden, da sank ihnen plötzlich der Muth: »Hol' euch der und jener!« riefen die Kriegsleute — »wer noch soviel Bier brauen und Mastochsen auf den Wällen umherlaufen lassen kann, den können wir nicht durch Hunger aus der Stadt treiben, vielmehr werden wir noch früher dem Hunger verfallen als jene.« Am andern Morgen sah man wie der Feind das Lager räumte und den Rückmarsch antrat; Reval aber war wiederum gerettet.