»Welch' hellen Schein hat auf dem Teich
Der Wächter Nachts gesehen?
Ist Volksgedächtniß wohl so reich,
daß wir die Mär' verstehen?«
Von einem wunderbaren Feuerschein, der fast allmitternächtlich auf dem Borkholmer Teiche zu sehen war, wußten die Leute der Umgegend in alter Zeit viel zu erzählen, wie sie es von den Wächtern vernommen hatten. Das Feuerchen schoß wie eine brennende Kerze plötzlich aus dem Wasser in die Höhe und erlosch wieder nach Verlauf einer Stunde. Wiewohl aber dieses Teichfeuer schon von Alters her den Leuten eine bekannte Sache war und viele Menschen dasselbe mit eigenen Augen gesehen hatten, so wußte doch Niemand genauer anzugeben, wie es sich mit der Sache eigentlich verhielt. Endlich fand sich im Kirchspiel Halljal ein Alter, der in dieser Beziehung nähere Auskunft geben konnte. Seine Aussage lautete so: Viele hundert Jahre vor der Russenzeit lebte in dem festen Schlosse Borkholm ein tapferer Ritter, der als lediger Mann die Haushaltung mit seiner jungen Schwester führte. Der Ritter mußte als Kriegsmann häufig abwesend sein, und so kam es, daß die Schwester mit einem jungen Manne eine Freundschaft schloß, die weiter führte als Beide voraussehen mochten. Als das Fräulein ihres Zustandes so weit inne wurde, daß sie einsah, der Frauenhaube nicht mehr entrathen zu können, ent[S 155]schloß sie sich das geschehene Unglück ihrem Bruder zu bekennen. Sie kam eines Tages in seine Kammer, warf sich ihm zu Füßen, gestand ihren Fehltritt, und bat um Erlaubniß sich mit dem jungen Manne trauen zu lassen. Der Bruder stieß sie voller Wuth mit dem Fuße fort wie einen Hund, ließ den Verführer seiner Schwester rufen, hieb ihm mit dem Schwerte den Kopf ab, so daß das Blut das Fräulein bespritzte, welches vor Entsetzen in Ohnmacht fiel. Dann befahl der Ritter, mitten im Teiche ein Loch in's Eis zu hauen, schleppte selber seine Schwester bei den Haaren dahin und stieß sie lebendig kopfüber unter's Eis; er selbst hielt so lange am Rande des Loches Wache, bis das unglückliche Geschöpf rettungslos verloren war.