Als sie an einem Kirschbaum vorbeikamen, packte der Riese die Baumkrone, wo die besten Früchte hingen. Er bog die Äste nach unten und hielt sie dem Schneider hin. Dieser fasste die Früchte und schnellte mit den Ästen sogleich wie ein Wirbelwind nach oben, weil er den Baum nicht halten konnte. „Noch nicht mal diese Gerte kannst Du halten, dafür bist Du zu schwach“, sagte der Riese. Aber das clevere Schneiderlein hatte gleich eine Antwort parat: „Das wäre meiner doch nicht würdig. Ich habe die Jäger gesehen, die in den Baum schießen wollten. Deshalb bin ich schnell darüber gesprungen! Spring Du doch auch, wenn Du so etwas überhaupt fertigbringst!“
Der Riese lud das Schneiderlein in seine Höhle ein, wo gerade viele Riesen beim Essen saßen. Jeder von ihnen hielt ein gebratenes Schaf in den Händen und verspeiste seinen Braten genüsslich. „Hier ist es doch viel besser, als in meiner kleinen Werkstatt“, sprach das Schneiderlein und aß auch ein gutes Stück vom Fleisch. Der Riese zeigte dem Schneider das Bett, in dem er schlafen sollte. Da es dem Schneider aber zu groß erschien, legte er sich in eine Ecke und schlief gleich ein. Um Mitternacht, als der Riese dachte, dass Schneiderlein läge im Tiefschlaf, schlug er das Bett entzwei. Er glaubte, jetzt hätte er den kleinen Klugscheißer endgültig ausgeschaltet. Am Morgen gingen die Riesen alle zusammen in den Wald. Als ihnen das Schneiderlein mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen begegnete, fürchteten sie sich, weil sie dachten, dass er sie jetzt alle totschlagen würde. Die Riesen flüchteten allesamt, so schnell sie konnten.
Nachdem der Schneider weitergewandert war, kam er zum Hof eines königlichen Palastes. Weil er müde war, schlief er im weichen Gras ein. Während er dort wohlig auf dem Rücken lag, kamen die Leute aus der Gegend und schauten auf den Gürtel des Schlafenden. „Sieben auf einen Streich“, lasen sie, „bei dem Kerl hier muss es sich um einen großen Helden handeln“. Sie gingen sogleich zum König und erzählten ihm von dem tapferen Mann. Das Schneiderlein wurde vom König mit allen Ehren empfangen, denn der König wollte diesen Helden in seine Kriegspläne einbeziehen. Doch die Söldner gingen zum König und wollten alle aus dem Kriegsdienst austreten. Deshalb sprachen sie zum König: „Wir halten es nicht aus, neben so einem Monstrum zu bestehen. Wenn wir einmal Streit mit ihm bekommen sollten, wird er gleich sieben von uns auf einmal erschlagen!“
Da beschloss der König, das Schneiderlein doch nicht für seinen Krieg zu verwenden, sondern machte ihm ein anderes Angebot. Er sollte in den Wald gehen und zwei Riesen bekämpfen, die dort hausten und im Land einen großen Schaden anrichteten. Zum Dank würde der König dem Tapferen seine Tochter zur Frau geben. Dazu sollte das Schneiderlein noch das halbe Königreich dazubekommen. Dieser dachte sich: „So ein Angebot wird einem nicht alle Tage gemacht!“ Deshalb sagte zum König: „Für mich ist es eine Kleinigkeit, die beiden Riesen zu erledigen, denn wer mit Sieben auf einen Streich fertig wird, der hat mit Zweien keine Mühe.“ Der König gab ihm noch einhundert Reiter an die Seite und der tapfere Schneider zog mit ihnen in den Wald hinaus.