Da kam Orm eines Abends heim, mit der Nachricht, dass er in der Entfernung ihres Vaters Leute erkannt hätte, und sicher auch von ihnen erkannt worden wäre, da sie ebenso scharf sahen, wie er. Sie werden diesen Platz umgeben, fuhr er fort, und nicht eher ruhen, bis sie uns gefunden haben; wir müssen daher sogleich fort. Dem gemäß stiegen sie an der andern Seite hinab und erreichten den Strand, wo sie glücklicher Weise ein Boot fanden. Orm stieß ab und das Boot trieb in die offene See. Ihren Verfolgern waren sie zwar entflohen, jetzt aber Gefahren anderer Art ausgesetzt; wohin sollten sie sich wenden. Sie durften nicht wagen zu landen, da Aslog's Vater Herr der ganzen Küste war und sie ihm in die Hände fallen würden. - Es blieb ihnen also nichts übrig, als das Boot den Wogen und den Winden zu überlassen. Sie trieben die ganze Nacht fort. - Bei Tagesanbruch war die Küste verschwunden und sie sahen Nichts, als Himmel und Wasser. Sie hatten nicht einen Bissen Nahrung mitgebracht; Hunger und Durst fingen an, sie zu quälen. - Drei Tage wurden sie so fort getrieben und Aslog, schwach und erschöpft, sah den gewissen Untergang voraus.
Endlich entdeckten sie, am Abend des dritten Tages, eine Insel von ziemlicher Größe, welche eine Menge kleinerer Eilande umgaben. Orm steuerte sogleich darauf zu, aber als er sich ihr näherte, erhob sich ein heftiger wind und die Wogen türmten sich höher und höher. Er wandte das Boot in der Hoffnung, an einer andern Seite landen zu können, aber eben so erfolglos; so oft sich das Schiff der Insel näherte, wurde es wie von unsichtbarer Gewalt zurückgetrieben. Gott! rief er aus, und segnete sich und sah die arme Aslog an, die vor Schwäche zu sterben schien. Kaum war aber dieser Ausruf über seine Lippen gegangen, als der Sturm aufhörte, die Wellen sich ebneten und das Schiff ohne weiteres Hindernis landete. - Orm sprang heraus; einige Muscheln, die er am Strande fand, stärkten und belebten die erschöpfte Aslog so, dass auch sie bald das Boot verlassen konnte.
Die Insel war mit kleinen Zwergstauden bewachsen, und schien unbewohnt zu sein; als sie aber bis in die Mitte derselben vorgedrungen waren, entdeckten sie ein Haus, das halb über halb unter der Erde zu sein schien. In der Hoffnung menschliche Hilfe zu finden, näherten sie sich demselben. Sie horchten, ob sie kein Geräusch hörten, aber das tiefste Schweigen herrschte ringsum. Orm öffnete endlich die Tür und trat mit seiner Gefährtin ein, wie groß war aber ihr Erstaunen, als sie Alles wie für Bewohner eingerichtet fanden, und doch kein lebendes Wesen sichtbar war. Das Feuer brannte auf dem Herde, mitten im Zimmer, und ein Kessel mit Fischen hing über demselben und wartete wahrscheinlich auf Jemanden, der seinen Inhalt verzehren sollte. Die Betten waren gemacht und bereit, Schläfer einzunehmen. Orm und Aslog standen eine Weile zweifelnd und sahen furchtsam hin, endlich aber trieb sie der Hunger; sie nahmen die Speise und aßen. Als sie ihren Hunger gestillt hatten, und bei den letzten Strahlen der Sonne weit und breit Niemand gewahr wurden, gaben sie ihrer Müdigkeit nach und legten sich in die Betten, die sie so lange entbehrt hatten.
Sie hatten erwartet, in der Nacht von den heimkehrenden Eigentümern des Hauses geweckt zu werden; aber ihre Erwartung hatte sie getäuscht. - Auch am folgenden Tage zeigte sich Niemand, und es schien, als wenn eine unsichtbare Macht das Haus zu ihrer Aufnahme in Ordnung gebracht hätte. - Sie brachten den ganzen Sommer höchst glücklich zu; wohl waren sie allein, doch wurden die Menschen von ihnen nicht vermisst. Die Eier wilder Vögel und die Fische, welche sie fingen, lieferten ihnen hinreichenden Vorrat.
Als der Herbst kam, gebar Aslog einen Sohn. - Mitten in der Freude über seine Ankunft wurden sie durch eine wunderbare Erscheinung überrascht. - Die Tür öffnete sich plötzlich und eine alte Frau trat ein. - Sie hatte ein hübsches blaues Gewand an; in ihrem Wesen lag etwas Stolzes und zugleich Fremdes und Seltsames.